30 Millionen Euro: Größte Forschungsfinanzierung in Europa an Cottbuser Startup
Science Fiction ‚Made in Cottbus‘: Cyberagentur finanziert Revolution in der neuroadaptiven Mensch-Maschine-Interaktion
Zur Unterzeichnung eines Vertrages mit einem Auftragswert von etwa 30 Millionen Euro trafen sich an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) die Geschäftsführung sowie die Projektleitung des neuen Forschungsauftrages der Cyberagentur mit dem Auftragnehmer Zander Laboratories GmbH (Zander Labs). Das Cottbuser Startup hat sich in dem Teilnahmewettbewerb mit der innovativsten Idee zur Erforschung von Neurotechnologie im Kontext der Mensch-Maschine-Interaktion gegenüber vier weiteren Anbietern durchsetzen können. Mit dem Auftrag wird die größte Einzelfinanzierung eines Forschungsprojektes in der Europäischen Union durch die Cyberagentur vergeben.
Am 7. Oktober 2022 veröffentlichte die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH (Cyberagentur) ihr Ausschreibungsverfahren „Sichere neuronale Mensch-Maschine-Interaktion“. Das Ziel der Ausschreibung bestand darin, den Nutzen von Mensch-Maschine-Interaktionen vorteilhaft und sicher für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik frühzeitig im Sinne der Cybersicherheit auszugestalten.
Startup kann mit bahnbrechender Idee überzeugen
Zander Labs schlägt das innovative Projekt „Neuroadaptivität für autonome Systeme“ (NAFAS) vor, das die Interaktion zwischen Mensch und Maschine revolutionieren soll. Auch wenn die Technologie enorme Fortschritte gemacht hat, bleiben Maschinen weiterhin in ihrer Fähigkeit begrenzt, menschliche Emotionen, geistige Zustände und kognitive Entscheidungsfindung zu verstehen, daraus zu lernen und darauf zu reagieren. Diese Einschränkung führt zu umständlicher Kommunikation zwischen Menschen und Technologie und schränkt das Potenzial der Mensch-Computer-Interaktion ein. Das NAFAS-Projekt strebt danach, dieses Paradigma zu verändern. In dem Projekt wird mit einem sogenannten passiven Brain Computer Interface (pBCI) gearbeitet. Das bedeutet, dass sich der Nutzer im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen in den Neurotechnologien nicht aktiv bestimmte Dinge vorstellen muss, sondern – wie man es im Alltag auch gewohnt ist – einfach die gewünschte Handlung durchführt.
Die Forscherinnen und Forscher versuchen, dann auf Basis der Hirnsignale herauszufinden, durch welche mentalen Zustände die Person ihr Ziel erreicht hat. Daraus sollen schließlich Kategorien identifiziert werden, die auf künstliche Systeme übertragbar sind und es Maschinen ermöglichen, menschliche mentale Reaktionen im gegebenen Kontext zu interpretieren. Ziel ist es, eine neue Generation von Maschinen zu erforschen, die sich in Echtzeit an die kognitiven und affektiven Zustände des Benutzers anpassen können, um das Benutzererlebnis zu personalisieren und die Effektivität autonomer Systeme zu verbessern, ohne dass eine manuelle Eingabe erforderlich ist.
Prof. Dr. Thorsten Zander, Geschäftsführer von Zander Labs sowie Lichtenberg-Professor für Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion an der BTU, blickt mit seinem Team voller Freude und Tatendrang auf den Beginn des von der Cyberagentur beauftragten Projekts NAFAS. „Es ist unser erklärtes Ziel, die Interaktion zwischen Mensch und Technologie neu zu gestalten: Wir streben nach Systemen, die sich intuitiv dem individuellen Nutzer, anhand dessen Hirnaktivität anpassen können und nach KI-Anwendungen, die unmittelbar vom menschlichen Gehirn lernen.“
„Das Projekt hat uns durch seine konzeptionelle Stärke und die innovative Herangehensweise überzeugt“, so Dr. Andreas Schönau, stellvertretender Projektleiter und Forschungsreferent im Referat Mensch-Maschine-Interaktion der Abteilung Sichere Gesellschaft bei der Cyberagentur. „Der implizite Ansatz ist einzigartig und hat das Potenzial, neue wissenschaftliche Standards in den Neurowissenschaften zu setzen.“
Die Forscherinnen und Forscher von Zander Labs werden in den nächsten vier Jahren neurotechnologische Prototypen entwickeln. Diese sollen dazu in der Lage sein, Informationen eines Gehirns auszulesen, sodass eine Person über ihre Gedanken mit einem externen System Informationen austauschen und dieses somit anleiten kann, um eine Aufgabe zu erledigen oder neue Fähigkeiten zu erlernen.
Wenn das gelingt, können Mensch und Maschine über das pBCI gemeinsam Handlungen ausführen, Ziele verfolgen und Informationen austauschen. Zum Abschluss des Projekts sollen vier Demonstratoren entstehen, die das vorgestellte Prinzip kontextualisieren und in konkrete Anwendungsfälle der Inneren und Äußeren Sicherheit übertragen.
Mensch-Maschine-Interaktion ohne invasive Eingriffe
„Die Revolution wird es sein, dass wir Maschinen ermöglichen, in Echtzeit Hirndaten zu erfassen und zu interpretieren, wodurch sie einen Einblick in die momentane, individuelle Wahrnehmung und Interpretation des Nutzers erhalten. Dies versetzt uns in die Lage, Wissen, Werte und Ziele des Nutzers in die Maschine zu übertragen, was eine intuitive Interaktion erlaubt“, fasst Prof. Dr. Zander sein Konzept zusammen. „Dieser Ansatz im Bereich der Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) zeigt deutlich die Unterschiede in der Herangehensweise zwischen den USA und Europa. Während die USA invasive Methoden bevorzugen und sich hauptsächlich auf medizinische Anwendungen konzentrieren, setzen wir auf nicht-invasive Technologien und zielen darauf ab, auch Nutzern ohne Einschränkungen zu dienen. Das wird die Mensch-Maschine-Interaktion revolutionieren.“ Dabei lege man bei Zander Labs höchsten Wert auf die Sicherheit und Privatsphäre bei der Verarbeitung von Hirndaten sowie bei deren Weitergabe an die Maschine. Das gelingt, da die Systeme mit dem Menschen kompatibel werden und somit die Künstliche Intelligenz im Einklang (Alignment) mit der des Menschen liegt. Trotz der erheblich höheren Finanzierung in den USA wird dieser bahnbrechende Forschungsansatz deshalb in Deutschland und Europa neu- und weitergedacht. In diesem Bereich belegt Europa einen Spitzenplatz in der Forschung.
Als führende Kraft hinter diesem Projekt bündelt die Zander Laboratories GmbH sowohl ihre eigene Expertise als auch das spezialisierte Fachwissen der unterbeauftragten Institutionen. Hierzu zählen die Fraunhofer Institute für Photonische Mikrosysteme (IPMS) und für Digitale Medientechnologie (IDMT), die niederländische TNO, Brain Products GmbH in München, Eaglescience Software B.V. in Haarlem sowie akademische Einrichtungen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, der Universität Wien und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Science Fiction ‚Made in Cottbus‘: Große Bedeutung für Wissenschaftsstandort
Der Forschungsdirektor der Cyberagentur, Prof. Dr. Christian Hummert, verlas zu Beginn die Grußbotschaft von Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Dr. Manja Schüle: „Nein, das ist kein neues Filmprojekt von Steven Spielberg oder Ridley Scott – das ist Science Fiction ‚Made in Cottbus‘: Prof. Thorsten Zander von der BTU will mit seinem Startup Zander Laboratories GmbH neurotechnologische Prototypen entwickeln und damit die Interaktion zwischen Mensch und Maschine sowie Künstlicher Intelligenz revolutionieren. Ein hochspannendes Projekt. Und sensationell, dass die Cyberagentur für diesen disruptiv-innovativen Ansatz 30 Millionen Euro bereitstellt. Das ist ein weiterer großartiger Schub für Wissenschaft und Forschung in der Lausitz. Und wer weiß: Vielleicht sehen wir die Prototypen von Thorsten Zander künftig auch in einem Blockbuster aus Hollywood.“
Prof. Dr. Hummert ergänzte: „Wie in eben diesen visionären Science-Fiction-Filmen der beiden Filmgrößen gleicht die Arbeit bei Zander Laboratories GmbH einer filmreifen Odyssee, die die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verwischt. Wir stehen vor einer Herausforderung, die an die komplexen Plots dieser Regielegenden erinnert: Risikoreich, aber bahnbrechend. Mit NAFAS könnten wir technologisch an die Spitze rücken. Diese Forschung kann ein Sprung nach vorn für die digitale Souveränität Deutschlands sein und auch ein möglicher Katalysator für kulturelle Resonanz, die weit über die Grenzen der Wissenschaft hinausgeht.“
Prof. Dr.-Ing. Michael Hübner, Vizepräsident für Forschung und Transfer an der BTU Cottbus-Senftenberg, sagte dazu: „Wir gratulieren Herrn Professor Zander und seinem hochinnovativen Startup zu dem Zuschlag für dieses Projekt. Die Technologie, die er mit seinem Team erforscht, wird in vielen Bereichen eingesetzt werden können. Diese Bereiche passen sehr gut zu den Profillinien der BTU Cottbus-Senftenberg. Insbesondere die Profillinien ‚künstliche Intelligenz und Sensorik‘ sowie ‚Gesundheit und Life Sciences‘ bieten beste Anknüpfungspunkte. Ich freue mich auf die Forschungsergebnisse und die Zusammenarbeit mit seinem Startup.“
Die Grußworte des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus, Tobias Schick, richtet Dr. Markus Niggemann, Beigeordneter und Leiter des Geschäftsbereiches Finanzmanagement, Wirtschaftsentwicklung & Soziales aus: „Die Beauftragung von Zander Labs wird die wissenschaftliche Exzellenz der Stadt stärken und zur Entwicklung innovativer Technologien beeinflussen. Durch diesen wissenschaftlichen Großauftrag an ein Cottbuser Unternehmen wird der Transfer unserer Stadtgesellschaft in eine Zukunftsregion vorangetrieben. Die Stadtverwaltung wird daher die Zusammenarbeit von Kommune, wissenschaftlichen Einrichtungen und der Wirtschaft weiter fördern, um Cottbus mit Universität und solchen Forschungseinrichtungen wie Zander Labs zu einem Zentrum des wissenschaftlichen Fortschritts in der Lausitzregion weiterzuentwickeln.“
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