Diese Idee geht unter die Haut

Revolutionierung der dermatologischen Diagnostik durch individuelle Identifizierung der molekularen Krankheitsmechanismen bei jedem einzelnen Patienten

13.12.2023
Copyright: IntegraSkin GmbH

Dr. Giménez Rivera,Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer der IntegraSkin GmbH, und Dr. Aiste Ramanauskaitė, Leiterin Dermatologie

Dr. V. Andrey Giménez Rivera hat die IntegraSkin GmbH gegründet, um ein Problem zu lösen, das ihn wie mindestens eine dreiviertel Milliarde Menschen belastet: chronisch-entzündliche Hauterkrankungen (CISC). Er hat sich vorgenommen, die dermatologische Diagnostik zu revolutionieren, indem er die individuelle Identifizierung der molekularen Krankheitsmechanismen bei jedem einzelnen Patienten ermöglicht. Der Gründer und Forscher geht den Patienten „unter die Haut“, um aus einer kleinen Gewebeprobe mittels innovativer molekularbiologischer Methoden Tausende von krankheitsrelevanten Parametern zu ermitteln. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz verarbeitet er diese Daten, um in Zusammenarbeit mit Dermatologen und Arzneimittelherstellern die jeweils passende Therapie zu finden. Für die Betroffenen kann diese personalisierte Medizin jahrelange Leidenswege beenden. Die Geschichte von Dr. V. Andrey Giménez Rivera: eine von zahlreichen erfolgreichen StartUp Stories in der BioRegion STERN.

Dr. V. Andrey Giménez Rivera hat sich ein großes Ziel gesetzt: Er will Patienten mit chronischen Hauterkrankungen, wie beispielsweise Neurodermitis, Dermatitis oder Psoriasis nachhaltig helfen. Dabei ist Dr. Giménez‘ Ziel nicht ausschließlich von Altruismus geprägt: Er leidet selbst an Neurodermitis. Und genau damit – sich ein Leben lang nicht wirklich wohl in seiner Haut zu fühlen – wollte und konnte er sich nicht abfinden. Als CEO der IntegraSkin GmbH aus Tübingen hofft er nun, nicht nur sich, sondern vielen Menschen zu helfen.

Die Idee – Wie kam es zur Gründung?

Dr. Giménez, der in Kolumbien geboren wurde und die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, ist aus Überzeugung Forscher und Unternehmer in Deutschland. Der studierte Biologe spezialisierte sich auf Immunologie und konzentrierte sich dann ganz auf sein Thema: die Haut. Seine Doktorarbeit über chronisch-allergische Hautentzündungen verfasste er bei Prof. Dr. med. Marcus Maurer, Direktor des Instituts für Allergieforschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Spätestens zu diesem Zeitpunkt entschied er sich, ein Unternehmen zu gründen. Nicht nur aus privaten Gründen – seine Partnerin lebt hier – fand er mit seinem Start-up in Tübingen eine weitere neue Heimat. Denn er suchte gezielt nach einem exzellenten wissenschaftlichen Umfeld, das seine Forschung weiter voranbringen konnte. Und bei der BioRegio STERN Management GmbH fand er die Unterstützung, die er benötigte, um sein kleines Unternehmen zu gründen und erfolgreich weiterzuentwickeln, beispielsweise mit der gezielten Förderung durch die EU-Projekte BioMan4R2 und Codex4SMEs. Zwar wurde das Unternehmen auf Wunsch des dort ansässigen Finanzvorstands Dr. Ernst Johann Krüger im ostfriesischen Aurich ins Handelsregister eingetragen, aber die Forschung und Entwicklung der IntegraSkin sind in der BioRegion STERN angesiedelt.

Der Need – Wer profitiert von der Idee?

Viele Menschen leiden zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens unter Hautstörungen. Bei einigen kommt es zu schweren Fällen chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen (CISCs); man geht von einer dreiviertel Milliarde Betroffener aus. Sie leiden häufig jahrelang an den Symptomen, nicht wenige lebenslang. Die geröteten, juckenden und entzündeten Hautstellen sind nicht nur lästig und schmerzhaft; viele Patienten sind in ihrem Alltags- und Sozialleben massiv beeinträchtigt. Diese Hautkrankheiten werden jedoch häufig nur „oberflächlich“ betrachtet und lediglich die Symptome bekämpft, damit die Krankheit für den Patienten erträglich ist. Aber solange die Ursachen für die Symptome nicht genau bekannt sind, kann der Patient auch nicht vollständig geheilt werden. Die Behandlung gleicht dem Prinzip von Trial-and-Error, denn gleiche Symptome können ganz unterschiedliche Ursachen haben: beispielsweise Umwelteinflüsse, Lebensmittelunverträglichkeiten oder genetische Vorbelastungen. Die Medikamente wirken nicht zielgerichtet; Cortison oder Immunsuppression „verdecken“ die Symptome nur, anstatt zu heilen. Teilweise verursachen die eingesetzten Medikamente sogar zusätzliche Beschwerden bei den Patienten, wie beispielsweise das TWS (Topical steroid withdraw, Kortison-Entzugs-Syndrom) oder das Red-Skin-Syndrom (Rote-Haut-Syndrom durch unsachgemäße Anwendung von Dermokortikoiden). Vor rund 20 Jahren wurden bereits erste Therapien mit Biologika, also biotechnologisch hergestellten Medikamenten, die gezielt in den Entzündungsprozess eingreifen, entwickelt. Für einige Patientengruppen wurde es dadurch besser, aber viele Betroffene können trotzdem nicht geheilt werden und die Therapien sind noch sehr teuer.

Der USP – Was ist die Innovation?

Dr. Giménez plant mit seinem Unternehmen IntegraSkin nicht weniger als die Revolution der dermatologischen Diagnostik. Als Pionier bei der molekularen Analyse für chronische Hauterkrankungen entwickelt und kombiniert er dafür modernste Technologien. Dem Forscher und seinem Team ging es zunächst grundsätzlich darum, zu verstehen, wodurch sich entzündete von gesunden Hautstellen unterscheiden. Denn bei vielen immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen (IMID) sind Ursachen und molekulare Zusammenhänge sowie Abläufe bei der Krankheitsentstehung noch nicht vollständig bekannt. Klar ist immerhin, dass sich die Erkrankungen auf der molekularen Ebene manifestieren. IntegraSkin untersucht dazu die pathogenen – also krankheitsauslösenden – Mechanismen der CISC jedes einzelnen Patienten aus einer kleinen Haut- und Blutprobe. Das Unternehmen hat dafür eine spezielle Methode der Gewebeentnahme und -aufbereitung entwickelt, um Tausende von krankheitsrelevanten Parametern aus mRNAs, Proteinen und Immunzellen zu gewinnen. Dr. Giménez geht den Patienten unter die Haut statt sie nur oberflächlich zu analysieren, um molekulare Veränderungen zu erfassen. Um diese interpretieren zu können, setzt das Unternehmen sogenannte OMIC-Technologien zur Analyse der Prozesse wie die Gensequenzierung (Genomics), Epigenomforschung (Epigenomics) und die Erforschung des Proteoms (Proteomics) ein. Als einziges Unternehmen in Europa nutzt IntegraSkin sowohl Proteomik als auch Transkriptomik für eine umfassende Analyse von Proteinen und RNA in Hautläsionen.

Aktuell gelingt es dem Team bis zu 18.000 verschiedene mRNAs in histologischen Hautschnitten zu identifizieren. Darüber hinaus können unter anderem etwa 10.000 verschiedene entzündungsrelevante Proteine der Haut, 200 Marker für die Immunphänotypisierung und 2.400 zelluläre Entzündungsmechanismen festgestellt werden. Auf Basis der unternehmenseigenen Datenbank und mit Hilfe Künstlicher Intelligenz können so für jeden Patienten die krankheitsrelevanten Parameter gefunden werden. Die KI überwacht dafür unter anderem Tausende neuer wissenschaftlicher Berichte, klinischer Studien und zugelassener Therapien für CISC-Erkrankungen. Außerdem werden Informationen über Umwelteinflüsse, den Lebensstil und die Ernährung berücksichtigt. Auf dieser Grundlage wird ein Bericht erstellt, damit in Zusammenarbeit mit Medizinern und der pharmazeutischen Industrie jeder Patient die für ihn passende Therapie erhält – seine personalisierte Medizin. 

Milestones: Wie geht es weiter?

Die Technologie ist da, sie ist jedoch noch nicht zugelassen. Daher erzielt das Unternehmen auch noch kaum Umsätze, sondern finanziert sich über Fördermittel und Drittmittel. Der nächste Schritt ist daher die Konformitätserklärung, die das Unternehmen bis Ende des Jahres zu erhalten hofft. Und es gilt die Akteure des Gesundheitswesens zu überzeugen, welche Vorteile die Methode der IntegraSkin gegenüber der konventionellen langwierigen und teuren Behandlung von chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen bringt. Wenn IntegraSkin Bestandteil der anerkannten Gesundheitsversorgung wird, hat Dr. Giménez jedenfalls sein zweites Ziel erreicht. Dann, so hofft er, kann er – nach seiner eigenen Heilung – endlich auch den übrigen rund 750 Millionen CISC-Patienten weltweit helfen.

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