Wenn Ernährung zur Therapie wird: Wenig Zucker und viel Fett gegen Zystennieren

Ketogene Ernährung positiv für Nierenerkrankung

09.11.2023
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Symbolbild

Viel Fett, wenig Kohlenhydrate: Wie ketogene Diät bei Zystennieren helfen könnte. Eine klinische Ernährungsstudie in Köln zeigt vielversprechende Ergebnisse zur Anwendung einer ketogenen Ernährung als mögliche Therapie bei der vererbbaren polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD), auch bekannt als Zystennieren. Diese Krankheit betrifft rund zehn Prozent aller Fälle von Nierenversagen und ist die häufigste genetische Nierenerkrankung weltweit. Die Studie mit dem Namen Keto-ADPKD wurde von Professor Dr. Roman-Ulrich Müller und seinem Team an der Universitätsklinik Köln und dem Alternsforschungs-Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln durchgeführt. Die translationale Nephrologie unter Leitung von Müller beschäftigt sich am CECAD mit Ernährungsinterventionen, die die Lebensspanne verlängern und Krankheiten entgegenwirken. In der KETO-ADPKD Studie wurde nun eine dieser Ernährungsformen – die ketogene Diät – als Therapie für die polyzystische Nierenerkrankung untersucht. Die Studie „Feasibility and impact of ketogenic dietary interventions in polycystic kidney disease: KETO-ADPKD - a randomized controlled trial“ wurde nun im renommierten Journal „Cell Reports Medicine“ als Titelgeschichte veröffentlicht.

Die Topline-Ergebnisse der Studie stellte Müller bereits im November 2022 auf dem Kongress "Kidney Week" der American Society of Nephrology vor. Auch die nun vorliegenden Endergebnisse der Phase-II-like-Studie zeigten, dass eine Umstellung auf eine ketogene Ernährung positive Auswirkungen auf die Nierenfunktion von ADPKD-Patientinnen haben kann. An der Untersuchung nahmen 66 betroffene Patient*innen teil, die in drei Gruppen eingeteilt wurden: Eine Gruppe ernährte sich drei Monate lang ketogen, eine zweite Gruppe praktizierte monatlich dreitägiges Wasserfasten – einer Art Nulldiät bei der nur Wasser getrunken wird, was einen ähnlichen Effekt auf den Stoffwechsel hat, wie eine ketogene Diät – und eine dritte Kontrollgruppe, die den gängigen Ernährungsempfehlungen folgte.

Bemerkenswert ist, dass 95 Prozent der Patient*innen in der ketogenen Gruppe und 85 Prozent in der Wasserfasten-Gruppe die Ernährung als machbar bewerteten. Genau das hatten viele Kritiker vorab in Abrede gestellt: Es sei gar nicht möglich im Alltag die Ernährung entsprechend umzustellen. Das sahen die Teilnehmenden nun anders. Zusätzlich konnten die Forschenden mithilfe von Biomarkern – den Ketonkörpern – ganz genau im Blut der Proband*innen nachweisen, dass sie tatsächlich so gegessen hatten, wie von den Forschenden vorgeschlagen. Entscheidend hierbei war auch das Design der Studie, welche im Gegensatz zu vielen anderen Ernährungsstudien wie eine klassische Medikamentenstudie (randomisiert kontrolliert) aufgesetzt war, und damit höchsten Standards genügt.

Die ketogene Diät ist eine Ernährungsweise, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint und bei der wenig Kohlenhydrate wie Zucker oder Mehl, dafür aber vermehrt Fette konsumiert werden. Diese Ernährungsform wird seit langem auch in Hinblick auf ihre generell lebensverlängernde Wirkung untersucht. Offenbar kann sie von den Patient*innen im Alltag auch umgesetzt werden, das sei eine wichtige Erkenntnis aus der Studie, sagt Forschungsgruppenleiter Müller und schildert es ganz plastisch: „Die Brötchen müssen Sie weglassen und auch die süßen Teilchen; dafür sollten Sie zum Beispiel mehr Olivenöl zu sich nehmen – auch fettreiche Fische wie Lachs sind ein tolles Nahrungsmittel.“

Was die Studie konkret nachweisen konnte: Bereits nach nur drei Monaten zeigten sich positive Veränderungen in wichtigen Parametern wie der Nierenfunktion, unerwartete Nebenwirkungen traten dagegen nicht auf. Die positiven Veränderungen der Nierenfunktion waren dabei statistisch signifikant und übertrafen die Erwartungen der Forscher, zu denen neben Prof. Müller als Professor für Translationale Nephrologie auch sein Team am CECAD, an der Universität zu Köln und am Universitätsklinikum Köln gehörten – bestehend aus Franziska Grundmann als Co-Senior-Autorin und Leiterin des Klinischen Studienzentrums (Abt. 2 der Inneren Medizin), Sadrija Cukoski und Christoph Lindemann als gemeinsame Erstautoren sowie dem Kooperationspartner Thomas Weimbs und seinem Team an der Universität von Kalifornien, Santa Barbara.

Prof. Dr. Roman-Ulrich Müller ist überzeugt, dass die Ergebnisse der Studie ein wichtiger Schritt in Richtung einer möglichen neuen Therapie für die Zystennierenkrankheit sind. Er betont jedoch auch, dass diese Daten aus einer Studie mit Phase-II-like Design noch nicht ausreichten, um eine allgemeine Empfehlung für die ketogene Ernährung bei ADPKD auszusprechen. Weitere größere multizentrische Studien seien erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen und um zu klären, ob sich auch auf längere Sicht nachhaltige Verbesserungen der Nierenfunktion erzielen lassen und Nebenwirkungen ausbleiben.

Generell sei die vorliegende Studie allerdings bereits unter anderem deswegen so wichtig, da sie dank des Designs wie bei einer Arzneimittel-Studie belege, dass Nahrung so wirksam wie ein Medikament sein kann. Müller ist überzeugt: „Das könnte der Auftakt für viele ähnliche Ernährungstherapien sein.“

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