Neue Antikörper neutralisieren resistente Bakterien

Im Kampf gegen Viren kommen bereits breit neutralisierende Antikörper zum Einsatz: Diese Technik könnte nun auch bei multiresistenten Bakterien helfen

07.11.2023

Ein Forschungsteam hat Antikörper entdeckt, die zu einem neuen Ansatz bei der Behandlung akuter und chronischer Infektionen mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa führen könnten. P. aeruginosa ist aufgrund zahlreicher Resistenzmechanismen gefürchtet und kann bei schwer kranken Patient*innen zu komplizierten Infektionen und zu gefährlichen Blutvergiftungen führen. Das Team von Wissenschaftler*innen der Universität zu Köln, der Uniklinik Köln, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf isolierte die Antikörper aus Immunzellen von chronisch Erkrankten und beschrieb ihren Wirkmechanismus. Die Studie „Discovery of highly neutralizing human antibodies targeting Pseudomonas aeruginosa“ ist im Wissenschaftsjournal Cell erschienen.

CSSB/Biao Yuan, Universität zu Köln

Cryo-elektronenmikroskopische Rekonstruktion der Bindung eines humanen anti-PcrV Fab-Antikörpers (gelb) an ein PcrV-Pentamer (blau) des Typ-III-Sekretionssystem (T3SS) von Pseudomonas aeruginosa. Die Antikörperbindung führt hierbei zu einer Inhibierung.

Antibiotika-resistente Bakterien stellen weltweit eine wachsende Bedrohung nicht nur für Infizierte, sondern insgesamt für unsere Gesundheitssysteme dar. Insbesondere Infektionen mit dem Bakterium P. aeruginosa sind aufgrund zahlreicher Resistenzmechanismen gefürchtet und können gerade bei schwer kranken Patient*innen zu komplizierten Infektionen der Lunge und zu gefährlichen Blutvergiftungen führen. Zudem kann der Erreger dauerhaft Organe wie zum Beispiel die Lunge besiedeln und fördert dort eine fortschreitende Gewebeschädigung. Häufig müssen dann bei Infizierten sogenannte Reserveantibiotika angewandt werden, da die Standardtherapien nicht mehr wirken. Neue therapeutische Ansätze werden daher dringend benötigt, um auch zukünftig eine effektive Therapie bei Infektionen mit multiresistenten Erregern wie P. aeruginosa zu gewährleisten.

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden daher, ob der für virale Infektionen erfolgreiche Ansatz der Isolierung breit neutralisierender Antikörper aus menschlichen Abwehrzellen auch für die Entwicklung neuer Therapien gegen bakterielle Infektionen angewendet werden kann. „Viele der therapeutischen Antikörper, die bereits heute gegen Viren zum Einsatz kommen, wurden aus infizierten, genesenen oder geimpften Individuen isoliert und weiterentwickelt“, sagt Dr. Alexander Simonis, Erstautor der Studie, Assistenzarzt in der Infektiologie der Klinik I für Innere Medizin und Leiter der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Nachwuchsgruppe „Immuntherapien bei bakteriellen Infektionen“ am Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK).

Das Forschungsteam isolierte aus Immunzellen von Mukoviszidose-Patient*innen, die chronisch mit P. aeruginosa infiziert waren, hochwirksame Antikörper gegen diesen Erreger. Die Wirkweise dieser Antikörper beruht dabei auf der Blockade eines wichtigen Virulenzfaktors des Bakteriums, dem sogenannten Typ-III-Sekretionssystems, das gerade bei schweren Infektionen mit P. aeruginosa eine wichtige Rolle spielt. In umfangreichen Versuchen in Zellkultur und Tiermodellen zeigten die Forschenden, dass die neu entwickelten Antikörper genauso wirksam gegen das Bakterium sind wie klassische Antibiotika. Da die Aktivität dieser Antikörper aber unabhängig von den Wirk- und Resistenzmechanismen herkömmlicher Antibiotika ist, können diese sogenannten Pathoblocker auch – im Gegensatz zu vielen klassischen Antibiotika – bei hochresistenten Bakterien wirken.

„Die gewonnenen Erkenntnisse und die verwendeten experimentellen Ansätze können auch auf andere bakterielle Krankheitserreger übertragen werden und stellen somit einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Therapie von Infektionen mit multiresistenten Bakterien dar“, resümiert der Letztautor der Studie, Privatdozent Dr. Jan Rybniker, Oberarzt in der Infektiologie der Klinik I für Innere Medizin und Leiter der „Translational Research Unit – Infectious Diseases“ an der Uniklinik und am ZMMK der Universität zu Köln, die Ergebnisse.

Ermöglicht wurde die Studie durch eine Förderung durch das Clinician Scientist Programm der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, das Career Advancement Program des ZMMK und der Fördermaßnahme „Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung“ des BMBF, welche Dr. Simonis seit Mai 2022 mit einer Nachwuchsgruppenförderung unterstützt.

Die Wissenschaftler*innen planen nun, die in der Studie entwickelten Antikörper weiterzuentwickeln und in klinischen Studien zu erproben. Langfristig sollen die Antikörper im Rahmen eines neuen Therapieansatzes insbesondere bei akuten und schweren Infektionen mit P. aeruginosa Anwendung finden. Den Forschenden zufolge bieten die Antikörper darüber hinaus die Möglichkeit, Patient*innen mit einem erhöhten Risiko für P. aeruginosa Infektionen – vor allem auf Intensivstationen oder bei Krebserkrankungen – mittels einer passiven Immunisierung zu schützen.

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