Forschende entdecken eine ungewöhnliche Waffe gegen Viren

Schwaches Immunsystem stärken

19.10.2023
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„Unsere Methode greift auf der Ebene der Blutstammzellen des Patienten ein, um die allgemeine antivirale Abwehr zu stärken" (Symbolbild)

Zytomegalievirus-Infektionen (CMV) sind äußerst verbreitet und stellen in der Regel keine ernsthafte Bedrohung für die überwiegende Mehrheit der Menschen dar. Sie können jedoch lebensbedrohlich werden für Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, z. B. nach einer Knochenmarktransplantation. Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten gegen CMV-Infektionen sind sehr begrenzt und können schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Forschende unter der Leitung von Prof. Michael Sieweke am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der Technischen Universität Dresden (TUD) und am Center of Immunology of Marseille Luminy (CIML) haben eine neue Methode gefunden, um vor CMV zu schützen. Anstatt das Virus direkt anzugreifen, stärkt ihr Ansatz das geschwächte Immunsystem, damit es das Virus eigenständig bekämpfen kann. Die Ergebnisse wurden im Journal EMBO Molecular Medicine veröffentlicht.

Einige Viren können ein Leben lang im Körper eines Menschen ruhen und in der Regel keinen Schaden anrichten, werden jedoch gefährlich, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Eines dieser Viren ist das humane Zytomegalievirus (CMV). Es ist im Allgemeinen harmlos, es sei denn, das Immunsystem ist geschwächt.

„Bei Menschen, die eine Knochenmarktransplantation durchlaufen, wird ihr Blut- und Immunsystem vollständig durch das der spendenden Person ersetzt. In den ersten Monaten nach der Transplantation sind sie daher weitgehend wehrlos gegen Infektionen. Sie können sich entweder mit CMV infizieren oder das inaktive Virus kann in Patientinnen und Patienten reaktiviert werden. Im Moment gibt es keine ideale Behandlung. Die verfügbaren Behandlungen wirken nur begrenzt oder können schwerwiegende Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Leberversagen, Taubheit, Sepsis und andere verursachen“, erklärt Dr. Julien Subburayalu, ein klinischer Wissenschaftler in der Sieweke-Gruppe am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), und einer der Hauptautoren der Studie.

Der ungewöhnliche Ansatz: Stärkung des Immunsystems

In Zusammenarbeit mit Dr. Marc Dalod, einem Experten für CMV-Immunität, verfolgten die Forschenden unter der Leitung von Prof. Sieweke einen ungewöhnlichen Ansatz: Anstelle des Einsatzes antiviraler Behandlungen zur Bekämpfung des Virus konzentrierten sie sich darauf, das Immunsystem zu stärken, damit es das Virus eigenständig bekämpfen kann.

„Bisher konzentrierten sich antivirale Behandlungen darauf, spezifische Viren anzugreifen, entweder durch Impfung oder durch Medikamente, die an der molekularen Maschinerie des Virus arbeiten", erklärt Dr. Marc Dalod, Gruppenleiter am Centre d’Immunologie de Marseille-Luminy (CIML) und Autor der Studie. „Unsere Methode greift auf der Ebene der Blutstammzellen des Patienten ein, um die allgemeine antivirale Abwehr zu stärken. Sie eignet sich daher ideal als prophylaktische oder allgemeine Interventionsstrategie bei immunsupprimierten Menschen", sagt Prof. Michael Sieweke, Alexander von Humboldt-Professor und Forschungsgruppenleiter am CRTD und CIML.

Das Zytokin: kleines, aber mächtiges Molekül

Der neue Ansatz konzentriert sich auf das Zytokin, das als Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor bekannt ist (M-CSF, CSF1). Es handelt sich um ein kleines Signalmolekül, das als Bote und Aktivator für das Immunsystem fungiert. „Das Zytokin steigert die Produktion spezifischer weißer Blutkörperchen, hauptsächlich Monozyten und Makrophagen“, erklärt Dr. Prashanth Kumar Kandalla, einer der Hauptautoren der Studie.

Obwohl Monozyten und Makrophagen normalerweise nicht als die primäre Abwehrkraft gegen Viren bekannt waren, stellt das Team fest, dass sie andere Immunzellen, sogenannte natürliche Killerzellen, aktivierten, die bei der Bekämpfung des Virus helfen. „Bei immungeschwächten Personen ist die Anzahl der weißen Blutkörperchen sehr niedrig. Deshalb ist ihr Körper anfällig für Infektionen. Die M-CSF-Behandlung würde das Immunsystem stärken, indem sie die Produktion neuer weißer Blutkörperchen auslöst und die Fähigkeit des Menschen zur Bekämpfung des Erregers wiederherstellt“, erklärt Dr. Kandalla.

Das Team konnte zeigen, dass M-CSF die Produktion von weißen Blutkörperchen bei immungeschwächten Mäusen steigerte und sie so vor einer ansonsten tödlichen CMV-Infektion schützte, ohne die Knochenmarktransplantation zu beeinträchtigen.

Klinische Studien sind erforderlich

Die Studie hat gezeigt, dass das Konzept bei Mäusen funktioniert hat, sowie mit menschlichen Zellen, die ausserhalb des Körpers kultiviert wurden. „Wir möchten jetzt unsere Ergebnisse mit weiterführendem klinischen Daten beim Menschen untermauern. Zum Beispiel möchten wir unseren Zytokin-Ansatz als prophylaktische Maßnahme nach Knochenmarktransplantationen testen, um die Reaktivierung von CMV zu verhindern. Hierfür sind klinische Studien erforderlich. Wir suchen jetzt nach Finanzierungsmöglichkeiten solcher Studien", schließt Prof. Sieweke.

Aufgrund seiner einzigartigen Fähigkeit, die Immunabwehr zu stärken, ist der neue Ansatz im Prinzip nicht auf CMV oder Menschen nach Knochenmarktransplantationen beschränkt. Das Team erwartet, dass er auch nützlich sein könnte, um andere virale Infektionen zu behandeln und anderen Patienten und Patientinnen mit geschwächtem Immunsystem zu helfen, z.B. nach Sepsis oder Chemotherapie.

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