Ein-Aus-Schalter für Enzyme
Forschende der TU Graz haben die Funktionsweise eines in Bakterien vorkommenden Proteins entschlüsselt, dessen enzymatische Aktivität durch blaues Licht aktiviert wird.
10.000-fache Steigerung der enzymatischen Aktivität
Forschende der TU Graz haben nun die Funktion eines sehr effizienten Fotorezeptors entschlüsselt und ihre Ergebnisse in der Fachpublikation Science Advances veröffentlicht. Sie untersuchten ein Diguanylat-Zyklase-Protein, das in vielen Bakterien vorkommt und durch seine enzymatische Funktion die Produktion eines zentralen Botenstoffs regelt, der die Lebensweise von Bakterien steuert. Bei Dunkelheit ist dieses Protein fast vollständig inaktiv. Sobald es aber blauen Anteilen des Tageslichtes ausgesetzt wird, steigt seine enzymatische Aktivität sprunghaft an. „Die enzymatische Aktivität des Proteins ist bei Belichtung rund 10.000-Mal höher als bei Dunkelheit“, sagt Andreas Winkler, Leiter der Arbeitsgruppe Photobiochemistry am Institut für Biochemie der TU Graz. Bei den meisten Lichtrezeptoren liegt die Steigerung etwa bei einem Faktor von 5 bis 50, was eher graduelle Änderungen der Proteinaktivität zur Folge hat. „Das von uns charakterisierte Protein reagiert hingegen sehr stark und gleicht dadurch tatsächlich einem Ein-Aus-Schalter“, sagt Winkler. Solch ein effizienter Proteinschalter könnte zukünftig bei der Weiterentwicklung und Optimierung optogenetischer Werkzeuge genutzt werden.
Protein streckt sich unter blauem Licht
Die Architektur und Funktionsweise dieses Proteinschalters konnten die Forschenden jetzt entschlüsseln: Das untersuchte Protein besteht aus zwei funktionalen Teilen. Der eine ist für die Wahrnehmung von blauem Licht zuständig, der andere übernimmt die eigentliche enzymatische Aktivität, nämlich die Katalyse einer chemischen Reaktion. Fällt blaues Licht auf das Protein, ändert dieses seine räumliche Struktur: Ausgehend von einer kompakten Form, die den enzymatischen Teil in einer inaktiven Form festhält, streckt sich das Protein bei Belichtung und führt dadurch zuvor voneinander getrennte, für die enzymatische Funktion verantwortliche Bereiche des Proteins zusammen. Das Protein produziert daraufhin bestimmte Botenstoffe und signalisiert dem Bakterium damit, dass sich die Umweltbedingungen ändern. Das Bakterium passt sich nach Möglichkeit entsprechend an. „Ein Beispiel dafür ist die Bildung von Aggregaten, sogenannten Biofilmen, wodurch Bakterien widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse werden“, erläutert Andreas Winkler.
Potenzielle Anwendung in der Medizin
„Ich bin begeistert, dass unsere Forschung wertvolle Erkenntnisse über die Funktionsweise dieses spannenden Proteins geliefert hat", sagt Uršula Vide, die Erstautorin der Studie und Doktorandin am Institut für Biochemie an der TU Graz. „Das Verständnis des Aktivierungsmechanismus dieses lichtaktivierten Enzymschalters eröffnet Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen Disziplinen." Ein potenzieller Einsatzbereich sind optogenetische Behandlungsmethoden in der Medizin: Medikamente, die an einen lichtregulierten Proteinschalter gekoppelt wären, könnten zeitlich exakt und nur in einem eng begrenzten Bereich des Körpers wirksam werden. Nebenwirkungen ließen sich so reduzieren. Auch zellbiologische Forschung würde von einem lichtinduzierten Proteinschalter profitieren: Veränderungen auf molekularer Ebene könnten gezielt ausgelöst und so besser analysiert werden. „Von solchen praktischen Anwendungen dieses spezifischen Schalters sind wir aber noch sehr weit entfernt“, sagt Winkler. Die Forschungsarbeit seines Teams liefere dafür aber wichtige grundlegende Erkenntnisse.
Dreidimensionales Modell
Die Forschenden haben das Protein für ihre Untersuchungen nicht aus den ursprünglichen Bakterien isoliert, sondern im Labor mit Hilfe gentechnischer Methoden hergestellt. Die Molekülstruktur haben sie mit Röntgenstreuung analysiert und daraufhin ein dreidimensionales Modell erstellt. Mithilfe des Modells und komplementären Experimenten konnten sie Rückschlüsse auf die sich bei Blaulichteinfall ändernde Architektur des Proteins ziehen und so konkrete Aussagen zur molekularen Wirkungsweise dieses biologischen Schalters liefern.