Mastzellen als Sensor: Rätselhafte Immunzellen helfen, schädliche Allergene zu vermeiden
Schutzschild gegen allergische Reaktionen
Mastzellen findet man hauptsächlich in den Grenzgeweben, die die Außen- und Innenwelt des Körpers voneinander trennen, so etwa im Epithel des Magen-Darm-Trakts und der Lunge. Innerhalb der Gewebe halten sich Mastzellen oft in der Nähe von Nervenenden auf. Allergikern sind Mastzellen gut bekannt, denn sie schütten Botenstoffe wie Histamin aus, die lästige bis gesundheitsgefährdende allergische Symptome verursachen. Zu diesen Symptomen kommt es, wenn die Mastzellen bei wiederholtem Antigen-Kontakt durch Antikörper der Klasse IgE aktiviert werden.
„Warum es überhaupt Mastzellen und IgE gibt, ist bis heute nicht schlüssig erklärt", sagt Hans-Reimer Rodewald. Der DKFZ-Immunologe und sein Team konnte nun bei Mäusen in einer Kombination aus Verhaltensexperimenten und immunologischen Untersuchungen erstmals zeigen, dass Mastzellen wie ein Sensor wirken, der hilft, den Kontakt mit Allergenen zu vermeiden.
Ohne Mastzellen und IgE keine Antigen-Vermeidung
Die DKFZ-Forscher immunisierten Mäuse mit dem Allergen Ovalbumin, einem Proteinbestandteil des Hühnereiweiß. Anschließend stellten sie die Tiere vor die freie Wahl, ob sie entweder normales oder eiweißhaltiges Trinkwasser bevorzugen. Immunisierte Tiere vermieden das mit Eiweiß versetzte Wasser, während ihre nicht immunisierten Artgenossen dieses deutlich bevorzugten. Ein großer Teil der immunisierten Tiere vermied das eiweißhaltige Wasser bereits einen Tag nach Immunisierung, manche Mäuse sogar bereits nach dem ersten Schluck.
Führten die Wissenschaftler diesen Verhaltenstest jedoch mit Mäusen durch, die genetisch bedingt keine Mastzellen haben, so bevorzugten sowohl immunisierte als auch nicht immunisierte Tiere das eiweißhaltige Wasser. Mäuse, die genetisch bedingt keine IgE bilden können, zeigten ebenfalls kein Vermeidungsverhalten. Also sind beide Komponenten – Mastzellen und IgE – für die Antigen-Vermeidung verantwortlich.
Wurden die immunisierten Mäuse nicht vor die Wahl gestellt, sondern die Eiweiß-Lösung wurde ihnen eingeflößt, so entwickelten die Tiere Entzündungen im Magen und Dünndarm. „Das durch Mastzellen vermittelte Vermeidungs-Verhalten schützt die Tiere offenbar vor schädlichen Immunreaktionen", erklärt Thomas Plum, einer der Erstautoren.
Wie „sprechen" Mastzellen mit dem Gehirn?
Eine wichtige offene Frage der Wissenschaftler war nun: Wie können Mastzellen als Komponente des Immunsystems das Verhalten beeinflussen? Auf welche Weise „sprechen" Immunzellen mit dem Gehirn? Die Wissenschaftler untersuchten eine Vielzahl an biologisch aktiven Substanzen, die von Mastzellen freigesetzt werden. Dazu zählen auch die Leukotriene, entzündungsfördernde Botenstoffe, von denen bekannt ist, dass sie sensorische Nerven aktivieren können. Blockierten die Forscher die Leukotrien-Synthese, so zeigten einige immunisierte Mäuse nicht mehr die gleiche Konsequenz beim Vermeiden von Eiweiß. Leukotriene scheinen daher zumindest mitbeteiligt zu sein am Vermeidungs-Verhalten. Weitere immunologische und neurobiologische Experimente sind in Zukunft nötig, um die Nervenverbindungen, über die das Mastzell-Signal ans Gehirn gemeldet wird, zu identifizieren.
„In Darm, Lunge oder Haut kann es in Folge von sogenannten Barrierestörungen, Durchlässigkeit der Gewebe von außen nach innen, zu Immunreaktionen auch gegen nicht-infektiöse Antigene kommen. Im Falle der Allergie spricht man von Allergenen. Egal, ob diese Substanzen gefährlich sind oder nicht: Es ist für den Organismus wichtig, ihre weitere Aufnahme zu vermeiden, um damit entzündliche Erkrankungen zu verhindern. Das ist ein evolutionärer Vorteil und endlich eine schlüssige Erklärung der physiologischen Rolle von Mastzellen und IgE", resümiert Rodewald die Ergebnisse.
Ob Mastzellen auch beim Menschen zum Vermeiden schädlicher Antigene beitragen, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden.