Forschungsteam zeigt, wie sich die Zellform reversibel ändern lässt

Durch Licht schaltbare Moleküle in Membranen ermöglichen die Untersuchung verschiedener Formen von lebenden Zellen

28.06.2023 - Deutschland
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Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Bart Jan Ravoo (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Prof. Dr. Timo Betz (Universität Göttingen) beschreibt erstmals, wie sich lebende Zellen durch eine gezielte Beeinflussung der Zellmembran mittels Lichts reversibel verformen lassen.

Membranen erfüllen in lebenden Zellen viele Aufgaben: Sie grenzen die Zellen beispielsweise von der Umgebung ab und schützen sie. Außerdem leiten sie durch Transportproteine die notwendigen Nährstoffe in das Innere. Auch wenn Zellen zu Geweben zusammenwachsen, sich durch Teilung vermehren oder sich bewegen, spielen Membranen eine zentrale Rolle. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Bart Jan Ravoo vom Organisch-Chemischen Institut der Universität Münster und Prof. Dr. Timo Betz vom Dritten Physikalischen Institut – Biophysik der Universität Göttingen beschreibt nun erstmals, wie sich lebende Zellen durch eine gezielte Beeinflussung der Zellmembran mittels Lichts reversibel verformen lassen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Dem Team gelang es im Laborversuch, die Form roter Blutkörperchen zu verändern. Diese Zellen sind normalerweise scheibenförmig („Discozyt“), können aber auch eine stachelige Gestalt mit Ausstülpungen an der Oberfläche („Echinozyt“ bzw. Stechapfelform) annehmen. Die Forscher nutzten für ihr Experiment eine Art „molekularen Lichtschalter“, den sie in die Zellmembranen einbrachten und der dort bewirkte, dass die Zellen die Stechapfelform annahmen. Unter Bestrahlung mit UV-Licht verformten sich die Zellen anschließend in Sekundenschnelle erneut und sahen dann ähnlich aus wie die flachen Discozyten, die in der Natur vorkommen. Unter sichtbarem Licht nahmen sie wieder die Stechapfelform an. Dieser Prozess war mehrfach wiederholbar.

Grundlage dieser Formveränderung ist ein Molekül, das ähnlich aufgebaut ist wie die Moleküle der Zellmembran und zusätzlich eine Funktionseinheit besitzt, die auf Beleuchtung mit einer Veränderung ihrer Form reagiert: ein Azobenzol. „Da das Azobenzol hydrophobe, also wasserabweisende Eigenschaften aufweist, haben wir zusätzlich eine hydrophile, wasserlösliche Seitenkette eingefügt. Das ist ein Design, das den in der Natur vorkommenden Lipidmolekülen der Zellmembranen sehr nahekommt“, erläutert Erstautor Dr. Fabian Höglsperger aus der Arbeitsgruppe von Bart Jan Ravoo. „Die Unterschiede zwischen dem Azobenzol-Derivat, das wir entworfen und hergestellt haben, und den natürlich vorkommenden Lipidmolekülen sind klein. Aber sie reichen aus, um mittels Lichts eine signifikante Veränderung der Zellmembran zu verursachen.“

Dass die Zellen bei Beleuchtung mit UV-Licht schlagartig in die flache Form wechseln, erklärt das Team mit der Strukturveränderung des Azobenzol-Moleküls. Diese veränderte Molekülvariante hält sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit in der Zellmembran auf, und die in der Echinozyt-Form vorliegenden Ausstülpungen der Membran flachen ab. Bestrahlung mit sichtbarem Licht löst die Rückreaktion des Photoschalters aus und die Echinozyt-Form bildet sich zurück.

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um Grundlagenforschung. Bart Jan Ravoo betont jedoch: „In Zukunft könnte diese einfache und effiziente Methode dabei helfen, die Reaktionen von Zellen auf ihr Umfeld abhängig von ihrer Form zu untersuchen oder Prozesse wie Zellteilung und -migration durch Licht zu steuern.“

Zum Hintergrund: Die Formveränderung von Zellen geht auch in der Natur auf den Aufbau der Membranen zurück. Die Doppelschicht aus Molekülen mit einem hydrophilen Kopf und einer hydrophoben Seitenkette ist so stabil, dass Moleküle nicht ohne Weiteres passieren können. Gleichzeitig ist sie beweglich, um auf innere und äußere Reize reagieren zu können. „Wie so oft ist diese Formveränderung ein Prozess, der der Natur leichtfällt, der aber unter Laborbedingungen schwer gesteuert werden kann“, sagt Fabian Höglsperger.

Die Studie führte Forschende aus vier Instituten der Universitäten Münster und Göttingen zusammen – mit Expertise in den Bereichen synthetische, theoretische und physikalische Chemie sowie Biophysik und Zellbiologie. Unter anderem setzte das Team spektroskopische und mikroskopische Untersuchungsmethoden ein. Bei den roten Blutkörperchen handelte es sich um menschliche Zellen.

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