Mechanismen hinter aggressiven Krebs-Metastasen entschlüsselt

Aus den Erkenntnissen könnte sich ein Ansatz ergeben, Tochtergeschwüre zu verhindern

09.06.2023 - Schweiz
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Symbolbild

Wenn Brustkrebs in andere Organe streut, bedeutet das meist eine schlechtere Prognose. Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel haben einen Prozess entdeckt, der Brustkrebszellen hilft, sich an bestimmten Stellen im Körper einzunisten. Aus den Erkenntnissen könnte sich ein Ansatz ergeben, Tochtergeschwüre zu verhindern.

Acht Jahre lang versuchte ein Team um Prof. Dr. Mohamed Bentires-Alj, die Rolle eines zellulären Enzyms bei der Metastasierung von Brustkrebs zu ergründen. Dabei entdeckten Joana Pinto Couto, Milica Vulin und Charly Jehanno in Zusammenarbeit mit weiteren Forschenden einen Mechanismus, der bei einer ganzen Reihe von aggressiven Krebsarten die Bildung von Metastasen zu unterstützen scheint.  Von ihren Ergebnissen berichten die Forschenden im «Embo Journal».

Eine Zelle kann man sich etwa vorstellen wie ein soziales Netzwerk: Gemäss Hypothese ist jeder Mensch über überraschend wenige Ecken mit jedem anderen Menschen auf der Welt verbunden. Analog sind Moleküle in Zellen durch molekulare Netzwerke miteinander verbunden, und wenn ein Bestandteil nicht richtig funktioniert, gerät das System aus dem Gleichgewicht und löst eine ganze Kaskade von Effekten aus, die weitreichende und unerwartete Folgen auf entferntere Teile des Netzwerks haben können. Diese Kettenreaktionen zu ergründen kann zum Verständnis beitragen, wie ein prinzipiell kleiner Defekt im System einer Zelle zu Erkrankungen wie Krebs führen kann. Die Erkenntnisse darüber liefern Ansatzpunkte für neue Therapien.

Eine solche Kaskade hat das Forschungsteam um Bentires-Alj am Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspitals Basel aufgeklärt: An ihrem Anfang steht ein Stoffwechselenzym namens Nicotinamid-N-Methyltransferase, kurz NNMT. An ihrem Ende steht der Stoff, der den Raum zwischen den Körperzellen füllt und diese zusammenhält: Kollagen. Eigentlich ist Kollagen eine gute Sache. Im Fall von Krebsmetastasen wird es aber zum Verräter und hilft den Krebszellen, sich im neuen Gewebe einzunisten.

Wandernde Krebszellen mit eigenem Kollagen

Brustkrebs vom Typ «Triple Negativ», der rund 15 Prozent aller Brustkrebspatientinnen betrifft, gilt als besonders aggressiv, weil er sich oft im Körper ausbreitet und Metastasen in Lunge und Gehirn bildet. Diese Brustkrebszellen produzieren besonders viel NNMT. Wie die Forschenden anhand von Tierversuchen herausfanden, ist die Überproduktion von NNMT entscheidend für die Metastasierung.

Der Grund für diesen Zusammenhang findet sich am Ende der erwähnten Kaskade, dem Kollagen. Wie das Basler Forschungsteam berichtet, führt die Überproduktion von NNMT über mehrere Ecken dazu, dass die Krebszellen auch mehr Kollagen produzieren als normal.

Aus früheren Studien weiss man, dass wandernde Krebszellen sich im neuen Gewebe erst einfinden müssen. Die Umgebung dort, also etwa Signalstoffe, Nährstoff- und Sauerstoffangebot, ist anders als am Ort des Ursprungstumors. In dieser Vorläuferphase der Metastasenbildung hilft das Kollagen des neuen Gewebes den Krebszellen zu überleben und sich anzupassen.

Was die neue Studie ergab: Besonders aggressiv metastasierende Brustkrebszellen produzieren nicht nur übermässig viel NNMT, sondern in der Folge auch ihr eigenes Kollagen. «Diese Fähigkeit macht sie unabhängiger vom Kollagen des neuen Gewebes und die Krebszellen können sich noch leichter einnisten», erklärt Dr. Charly Jehanno, einer der Erstautoren der Studie.

Kein NNMT, kein eigenes Kollagen

Entfernten die Forschenden das NNMT aus aggressiven Brustkrebszellen und injizierten diese Zellen in Mäuse, entwickelten die Tiere kaum Metastasen. Die Zellen produzierten auch kaum Kollagen.

Eine Literaturrecherche ergab zudem, dass die Überproduktion von NNMT charakteristisch bei einer Reihe von aggressiven Krebstypen ist, also womöglich ein universell wichtiger Schlüsselfaktor bei der Krebsmetastasierung ist.

 «In einem nächsten Schritt möchten wir testen, ob existierende Hemmstoffe gegen NNMT ebenfalls die Metastasenbildung im Mausmodell hemmen und ob dabei Nebenwirkungen auftreten», erklärt Mohamed Bentires-Alj. Nach einer Weiterentwicklung der auf NNMT abzielenden Wirkstoffe könnten bald erste Studien im Mensch folgen.

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