Photosynthese: Wechselnde Pfade ins Reaktionszentrum

Chemiker untersuchen mit hochgenauer Quantenchemie zentrale Elemente des besonders effizienten Energietransfers in einem wichtigen Bestandteil der Photosynthese

28.03.2023 - Deutschland

Die Photosynthese ist der Motor allen Lebens auf der Erde. Damit aus Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser energiereiche Zucker und Sauerstoff entstehen können, sind komplexe Prozesse notwendig, die von zwei Proteinkomplexen angetrieben werden, den Photosystemen I und II. Im Photosystem I wird das Sonnenlicht mit einer Effizienz von fast 100% genutzt. Die entscheidende Rolle hierbei spielt ein komplexes Netzwerk aus 288 Chlorophyllen. Ein Team um die LMU-Chemikerin Regina de Vivie-Riedle hat diese Chlorophylle nun mithilfe hochgenauer quantenchemischer Berechnungen charakterisiert– ein wichtiger Fortschritt, um den Energietransfer in diesem System besser zu verstehen und seine Effizienz zukünftig möglicherweise auch in künstlichen Systemen nutzen zu können.

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Symbolbild

Die Chlorophylle in Photosystem I fangen in einem Antennenkomplex das Sonnenlicht ein und leiten die Energie zu einem Reaktionszentrum. Dort wird die Energie des Lichts genutzt, um einen Redoxprozess anzustoßen, also chemische Reaktionen, bei denen Elektronen übertragen werden. Die Quantenausbeute ist dabei nahezu 100%, fast jedes absorbierte Photon führt somit auch zu einem Redoxereignis im Reaktionszentrum.

Simulation unter natürlichen Bedingungen

„Obwohl der komplizierte Energietransfer innerhalb des Photosystems bereits seit Jahrzehnten untersucht wird, gibt es bis heute keinen Konsens über den genauen Mechanismus“, sagt de Vivie-Riedle. Um den Prozess besser zu verstehen, simulierten die Forschenden die Lichtanregung jedes der Chlorophylle in einem Modell des in einer Lipidmembran eingebetteten Photosystems I. Zur Beschreibung der elektronischen Anregungen verwendeten sie eine hochgenaue Multireferenzmethode. Im Vergleich mit früheren Studien ermöglicht dieser Ansatz eine Beschreibung des Photosystems I auf dem neuesten Stand der Methodik. Die aufwändigen Berechnungen wurden durch den Hochleistungsrechner am Leibniz-Rechenzentrum ermöglicht.

Dabei identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogenannte „rote Chlorophylle“, wie die Autoren in einer auf der Titelseite des Fachjournals Chemical Science veröffentlichten Studie berichten. Diese Chlorophylle absorbieren aufgrund von elektrostatischen Umgebungseffekten Licht bei geringfügig niedrigeren Energien als ihre Nachbarn, ihr Absorptionsspektrum ist also in den roten Spektralbereich verschoben. Analog dazu entstehen auch Energiebarrieren, die die Forschenden unter anderem zwischen dem Antennenkomplex und dem Reaktionszentrum identifizierten. „Das wirkt auf den ersten Blick überraschend, da es dadurch kein offensichtliches Gefälle gibt, entlang dessen die Energie vom Antennenkomplex ins Reaktionszentrum übertragen wird“, erklärt Erstautor Sebastian Reiter.

Fluktuationen überwinden Energiebarrieren

Allerdings kommt es unter physiologischen Bedingungen im gesamten Photosystem I zu thermischen Fluktuationen, die diese Energiebarrieren überwinden, da sich die relativen Energien der Chlorophylle zueinander ändern. Auf diese Weise können sich ständig neue Pfade ins Reaktionszentrum eröffnen, während andere sich schließen. Darin, so die Kernthese der Autoren, könnte der Schlüssel zur besonderen Effizienz des Photosystems I begründet liegen.

„Unsere atomistische Simulation dieser Prozesse ermöglicht ein mikroskopisches Verständnis des Systems und seiner Dynamik in natürlicher Umgebung, komplementär zu experimentellen Zugängen“, resümiert Regina de Vivie-Riedle, die auch Mitglied des Exzellenzclusters e-conversion ist. Eines der Ziele des Clusters ist es, die Effizienz natürlicher Photokatalysatoren eines Tages auf künstliche Bio-Nanohybridsysteme zu übertragen, um beispielsweise den Energieträger Wasserstoff zu erzeugen oder Kohlenstoffmonoxid in Kraftstoff umzuwandeln. Voraussetzung dafür ist ein besseres Verständnis des Energietransfers. Mit ihren Ergebnissen am Beispiel des Photosystems I können die Wissenschaftler nun einen wichtigen Schritt dazu beitragen.

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