Immunzell-Booster für Krebspatienten

«Man kann damit Zellen von beliebigen Spendern an beliebige Patienten verabreichen» - Spin-off Gründung geplant

20.03.2023 - Schweiz

Krebskranke könnten dereinst davon profitieren, dass man ihnen Immunzellen von gesunden Spendern verabreicht. Erhalten sie heute Spenderzellen, kann das zu heftigen oder gar fatalen Immunreaktionen führen. Ein Forscher der ETH Zürich entwickelte nun eine Technologie, die diese vermeidet.

Computer-generated image

Symbolbild

Edo Kapetanovic ist Arzt, eigentlich. Doch mittlerweile hat er sich ganz der Forschung verschrieben, und er arbeitet seit seinem Doktorat am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel. Sein Ziel ist es, Krebstherapien dadurch zu verbessern, dass Patienten mit Immunzellen aus Spenderblut versorgt werden. Diesem Ziel ist er nun näher gekommen: Er hat es geschafft, die Spenderzellen so zu verändern, dass sie nur Tumorzellen angreifen und nicht gesunden Zellen des Patienten. Er testete die Technologie im Labor an menschlichen Zellen, aber es wird noch Zeit und Weiterentwicklung brauchen, bevor auch Patientinnen und Patienten von der Technologie profitieren können.

Trivial ist die Verabreichung von Spenderzellen in diesem Fall nicht: Das Immunsystem ist darauf spezialisiert, Körperfremdes von Körpereigenem zu unterscheiden und Fremdes zu bekämpfen. In Patienten mit einem geschwächten Immunsystem erkennen die Spenderzellen die Zellen des Patienten als fremd, und sie können eine heftige und mithin fatale Immunreaktion auslösen, bekannt unter dem englischen Begriff Graft-versus-Host-Reaktion (Reaktion des Spendergewebes gegen das Empfängergewebe). Daher werden heute für immuntherapeutische Behandlungen von Krebs hauptsächlich eigene Immunzellen der Patienten benutzt und nicht solche von Spendern.

Kapetanovic und seinem Team ist es nun gelungen, Immunzellen zu entwickeln, die keine Graft-versus-Host-Reaktion auslösen.

Eigene Zellen wirken nicht immer

Grob lassen sich bei den derzeit zugelassenen Immuntherapien von Krebs zwei Ansätze unterscheiden. Bei beiden stehen sogenannte Killerzellen im Zentrum, meist Killer-T-Zellen. Beim einen Ansatz entnehmen Fachleute den Patienten deren eigene Killerzellen und verändern sie im Labor so, dass sie spezifisch Krebszellen erkennen und diese eliminieren. Die veränderten Zellen verabreichen sie anschliessend den Patienten.

Beim zweiten Ansatz kommen sogenannte bispezifische Antikörper als Medikament zum Einsatz. Sie stellen im Körper eine molekulare Verbindung her zwischen Killer-T-Zellen und Krebszellen. Dadurch werden erstere aktiviert, damit sie die Tumorzellen bekämpfen.

Diese Ansätze haben jedoch einen gewichtigen Nachteil, wie Kapetanovic erklärt: «Bei beiden Ansätzen nutzt man die Zellen der Patienten. Man weiss aber, dass sich die Immunzellen individuell stark unterscheiden. Bei manchen Patienten sind die T-Zellen einfach nicht fit genug, um gegen den Tumor vorzugehen.» Hilfreich wäre es daher, Krebspatienten mit leistungsfähigen Killer-T-Zellen von gesunden Spendern zu versorgen, wenn da nicht die gefährliche Graft-versus-Host-Reaktion wäre. Für den Ansatz mit den bispezifischen Antikörpern hat Kapetanovic dieses Problem nun gelöst.

Um zu verstehen, welcher Herausforderung der Forscher gegenüberstand, muss man folgendes wissen: Die erwünschte Aktivierung der Killer-T-Zellen durch bispezifische Antikörper und die unerwünschte Aktivierung durch gesunde Zellen, die zur Graft-versus-Host-Reaktion führt, geschieht über denselben Molekülkomplex auf der äusseren Membran der Killer-T-Zellen, den TCR-CD3-Komplex.

Zellen mit künstlichem Proteinkomplex

Kapetanovic meisterte die Herausforderung, indem er einen synthetischen TCR-CD3-Komplex schuf. Killer-T-Zellen mit diesem synthetischen Komplex reagieren nicht mehr auf fremde Zellen und lösen somit auch keine Graft-versus-Host-Reaktion aus. Dennoch lassen sich die Killer-T-Zellen mit bispezifischen Antikörpern aktivieren und können Krebszellen immer noch bekämpfen.

Der synthetische TCR-CD3-Komplex ist das Ergebnis aufwändiger und detaillierter Studien von Kapetanovic und seinem Team. Bevor die Wissenschaftler diesen Komplex gezielt verändern konnten, untersuchten sie ausführlich die molekulare Struktur der einzelnen Untereinheiten dieses Komplexes und wie sie das Aktivierungssignal weitergeben.

Kombinationstherapie mit Zellen und Antikörpern

«Unser Ansatz zielt darauf ab, dereinst ein standardisiertes Produkt von der Stange für die Krebstherapie anzubieten», sagt Kapetanovic. Die Idee ist, aus dem Blut von gesunden Spendern die Killer-T-Zellen zu isolieren und in diesen mit biotechnischen Methoden den natürlichen TCR-CD3-Komplex durch den synthetischen zu ersetzen. Das Blut von Krebspatienten würde man dann mit solchen veränderten Spenderzellen anreichern und die Patienten schliesslich mit bispezifischen Antikörpern behandeln.

«Man kann damit Zellen von beliebigen Spendern an beliebige Patienten verabreichen», sagt der ETH-Forscher. Ein solch standardisiertes Produkt wäre viel einfacher und günstiger herzustellen als so wie heute die Zellen von jedem einzelnen Patienten zu isolieren und zu verändern. Das derzeitige Verfahren ist aufwendig und setzt eine komplexe Laborinfrastruktur voraus, was die Verfügbarkeit für Patientinnen und Patienten einschränkt. Ein Produkt ab Stange liesse sich einfach vertreiben, sodass mehr Patienten davon profitieren könnten.

Die ETH Zürich hat die neue Technologie zum Patent angemeldet. Kapetanovic plant nun, sie zur Marktreife weiterzuentwickeln. Er wird dazu von der Schweizer Innovationsförderagentur Innosuisse finanziell unterstützt, und er plant, eine Spin-off-Firma zu gründen.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...

Da tut sich was in der Life-Science-Branche …

So sieht echter Pioniergeist aus: Jede Menge innovative Start-ups bringen frische Ideen, Herzblut und Unternehmergeist auf, um die Welt von morgen zum Positiven zu verändern. Tauchen Sie ein in die Welt dieser Jungunternehmen und nutzen Sie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Gründern.