Künstliche Intelligenz könnte Therapie bei Lymphdrüsenkrebs verbessern
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Am Hodgkin-Lymphom erkranken vor allem viele junge Menschen. Einerseits ist diese Krebsform, die in den Lymphdrüsen entsteht, besonders aggressiv und kann sich schnell ausbreiten, andererseits sind aber auch die Heilungschancen gut. Doch die Behandlung ist oft von schwerwiegenden akuten und auch langfristigen Nebenwirkungen geprägt. Die Standardbehandlung besteht aus einer Chemotherapie, bei bestimmten Untergruppen des Lymphoms müssen die Patient:innen zusätzlich eine Bestrahlung über sich ergehen lassen.
Forscher:innen der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien suchen neue Wege, um die Diagnostik zu verbessern. In dem dreijährigen Projekt HOLY-2020: Individualisierte Therapie bei Hodgkin Lymphomen, das vom Wissenschaftsfonds FWF kofinanziert wird, arbeiten sie gemeinsam mit europäischen Partnern an einer neuen Methode, die bildgebende Medizin mit künstlicher Intelligenz verbindet.
„Die derzeitig verwendeten diagnostischen Verfahren zur Prognose des Krankheitsverlaufes sind relativ grob und ungenau. Wir setzen Algorithmen der künstlichen Intelligenz ein, um die Prognosen zu verbessern“, erklärt der stellvertretende Leiter der Klinischen Abteilung für Nuklearmedizin, Alexander Haug. Durch das neue Diagnosewerkzeug könnte unter anderem auch früher im Krankheitsverlauf klar werden, ob eine aggressive Strahlentherapie notwendig ist oder ob eine Chemotherapie ausreicht. Damit würde sich die Sicherheit erhöhen, dass den Erkrankten eine adäquate Behandlung zukommt.
Nuklearmedizin macht Tumore sichtbar
Der aktuelle diagnostische Goldstandard beim Hodgkin-Lymphom kann die Krebszellen im Körper mit hoher Genauigkeit sichtbar machen. Eingesetzt wird dabei eine Kombination von Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Computertomografie (CT). Patient:innen bekommen leicht radioaktiv markierte Glukose verabreicht, die von den Körperzellen aufgenommen wird. Tumorzellen mit ihrem erhöhten Energiebedarf nehmen dabei schnell viel mehr Zucker auf als normale Körperzellen.
PET-Scans zeigen eine genaue Verteilung der markierten Zuckermoleküle – und bilden damit die Größe und Form des Lymphoms ab. Durch die Kombination mit CT-Bildern, die ein 3-D-Bild des Körperinneren zeigen, lässt sich die Position der Krebszellen im Körper exakt verorten. Damit kann sehr präzise bestimmt werden, wie weit der Krebsbefall im Körper bereits fortgeschritten ist. Der Grad des Befalls einzelner Regionen gibt Anhaltspunkte zu Risikofaktoren und Heilungschancen.
Haug und sein Team gehen nun aber davon aus, dass die PET- und CT-Aufnahmen noch mehr Informationen enthalten, als die bisherigen Auswertungen zugänglich machen. Die Daten zeigen etwa Verteilungen von Intensitäten innerhalb der Lymphome. An manchen Orten werden besonders viele Zuckermoleküle gemessen, an anderen weniger. Analysen ergaben Dutzende verschiedene Parameter, die auf Basis dieser Heterogenität unterscheidbar sind. „Aus diesem Muster kann selbst ein geschultes Auge keine Anhaltspunkte zum Krankheitsverlauf ziehen“, sagt der Wissenschaftler. „Aber wir sind zuversichtlich, dass die künstliche Intelligenz daraus eine Prognose zum Verlauf ablesen kann.“
Training anhand von bestehenden Patientendaten
Zur Entwicklung eines entsprechenden KI-Systems werden die PET-/CT-Aufnahmen einer Analyse unterzogen und mit dem Verlauf der Erkrankung bei den jeweiligen Patient:innen verknüpft. Daraufhin werden sie den selbstlernenden Algorithmen als Trainingsdaten unterbreitet. Die KI lernt auf diese Art, welche versteckten Muster in den Aufnahmen mit guten und schlechten Krankheitsverläufen verbunden sind. Konfrontiert mit neuen Bilddaten, die nicht Teil des Trainings waren, soll das KI-Werkzeug schließlich neue prognostische Einschätzungen geben können. Eine derartige Interpretation von Bildmerkmalen in der Radiologie wird in der Medizinwissenschaft auch als Radiomics bezeichnet.
Haug und seine Kolleg:innen an der Medizinischen Universität Wien arbeiten in dem Projekt mit Forschungsinstituten in Paris und Barcelona zusammen. Gemeinsam wurden bereits über 200 Datensätze zu verschiedenen Krankheitsverläufen bei Hodgkin-Lymphomen gesammelt. Erste KI-Analysen sind nun im Entstehen. „Eine besondere Herausforderung bei vielen Radiomics-Lösungen ist die Datenharmonisierung“, betont Haug. „Aufnahmen von verschiedenen Scannern unterscheiden sich in Details. Farbschattierungen sind etwa von Gerät zu Gerät immer etwas anders. Eigenschaften wie diese müssen zuerst aufwendig vereinheitlicht werden.“
In dem Projekt, das noch bis Herbst 2023 läuft, soll bestätigt werden, dass eine KI-Diagnostik dieser Art grundsätzlich möglich ist. In darauffolgenden Forschungen könnte der Ansatz dann in Richtung einer Praxisanwendung weiterentwickelt werden.