Weniger ist mehr - Neue Erkenntnisse zum Bearbeiten von Bakterien mit CRISPR
Forschungsteam entwickelt Ansatz, der eine effizientere Bearbeitung von Bakteriengenomen ermöglicht
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Die Fähigkeit, Bakterien genetisch zu verändern, ist der Schlüssel zur Erforschung der mikrobiellen Welt. Genom-Editierung - also das Bearbeiten des Erbguts wie beispielsweise DNA - ist unverzichtbar, um neue Antibiotika entwickeln und Bakterien als Miniaturfabriken für die nachhaltige Produktion von Chemikalien, Materialien und Therapeutika nutzen zu können. Werkzeuge, die auf der Genschere CRISPR basieren, haben sich hierbei als hilfreich erwiesen, da sie es ermöglichen, verschiedene Bakterien schnell, einfach und zuverlässig zu verändern.
Die zugrundeliegende Technologie erfordert eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als „Leit-RNA“ dient. Sie hilft dabei, bestimmte Regionen eines Genoms für die gezielte DNA-Spaltung anzusteuern. Proteine, die an der homologen Rekombination - einem natürlichen Prozess des Austauschs von genetischem Material zwischen Chromosomen - beteiligt sind, fügen anschließend die entworfene „Reparaturvorlage“ ein, um eine bearbeitete Sequenz des DNA-Strangs zu erstellen.
Stolpersteine beseitigen
In einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde, widmen sich Forscher:innen des Würzburger Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig einer zentralen Herausforderung bei der Genombearbeitung in Bakterien.
„Das CRISPR-basierte Genom-Editing ist zu einer vielfach genutzten molekularbiologischen Technologie geworden, aber es gibt einen bemerkenswerten Stolperstein“, sagt HIRI-Abteilungsleiter Chase Beisel, der die Studie geleitet hat. „Während ihres exponentiellen Wachstums vervielfältigen Bakterien ihr Genom mehrmals in einem Zellzyklus, um mit der Zellteilung Schritt zu halten. Durch das Schneiden der DNA führt die Genschere CRISPR zum vorzeitigen Absterben der Zelle. Folglich benötigt das Editieren eine wirksame Rekombination und eine hohe Transformationseffizienz, die bei den meisten Bakterienstämmen nicht gegeben ist - auch nicht bei denen, die für menschliche Krankheiten und die industrielle Biotechnologie relevant sind“, erklärt Beisel.
Ein scheinbar paradoxer Ansatz
Daphne Collias, Postdoc im Labor von Beisel am Helmholtz-Institut Würzburg, ist Erstautorin der Studie und erläutert die Ergebnisse: „Wir haben entdeckt, dass eine Abschwächung der Schneideaktivität von CRISPR es der Zelle ermöglicht, die geschnittene DNA mit der bereitgestellten Vorlage für die homologe Rekombination zu reparieren. Infolgedessen konnten wir die homologe Rekombination vorantreiben und viel mehr überlebende Zellen erhalten.“
Die Wissenschafter:innen entwickelten eine ganze Reihe von Ansätzen, die die DNA-Schneideaktivität verringern können. So setzten sie verschiedene Formate für die Ribonukleinsäure ein, die das Schneiden durch das Protein Cas9 steuert. Außerdem testeten sie Cas9-Versionen, die weniger effizient schneiden, reduzierten die Expression der Leit-RNA, und sie implementierten störende Strukturen und Sequenzmutationen bei der Leit-RNA, um diese vom DNA-Ziel abzubringen.
„Wir nennen die modifizierten Leit-RNAs 'abgeschwächte Leit-RNAs' oder atgRNAs, da sie ein flexibles Mittel darstellen, um eine CRISPR-gesteuerte Genombearbeitung zu realisieren“, berichtet Collias. „Nicht jeder unserer Ansätze konnte das DNA-Editing vorantreiben, obwohl wir in der Regel mindestens einen für jedes Bearbeitungs-Setup finden konnten.“
Perspektiven
Zum Nachweis des Wirkprinzips haben sich das Team von Chase Beisel und das Labor von Till Strowig, Abteilungsleiter am HZI, zusammengeschlossen, um die Genombearbeitung in verschiedenen Bakterienstämmen von Klebsiella zu verbessern. Bei einem multiresistenten Stamm konnten sie durch das Editing die Resistenz gegen das Antibiotikum Ampicillin aufheben.
Der neue Erbgut-Bearbeitungsansatz kann die Grundlagenforschung an Bakterien voranbringen, die mit der menschlichen Gesundheit und Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Editierte Bakterien könnten in Zukunft auch als therapeutische Probiotika oder als Produktionswirte für Therapeutika eingesetzt werden.