Gut gewappnet – Wie der Verlust eines Proteins dazu beitragen könnte, Folgen eines Schlaganfalles besser zu verkraften
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Kerstin Wagner / FLI, Created with Biorender.com
Demzufolge haben Astrozyten durch ihre strahlenförmigen Ausläufer (Astrozytenfortsätze), mit denen sie Kontakte zwischen Nervenzellen und Blutgefäßen vermitteln, eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung im Gehirn. Neben anderen wichtigen Bausteinen findet man in den Astrozytenfortsätzen vermehrt das Ezrin-Protein. Das lässt vermuten, dass Ezrin auch bei der neuronalen Entwicklung des Gehirns für die Funktion der Astrozyten wichtig ist. Wenngleich Ezrin bereits intensiv In-vitro in der Zellkultur untersucht wurde, fehlen bislang jedoch In-vivo-Studien zur Rolle des Proteins Ezrin in den Astrozyten.
Die Forschungsgruppe "Nervenregeneration" um Frau Prof. Dr. Helen Morrison vom Leibniz-Institut für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena hat nun in einer aktuellen Studie herausgefunden, welche Rolle Ezrin bei der Gehirnentwicklung spielt und wie seine Abwesenheit den Körper auf Stress, wie beispielsweise einen Schlaganfall, vorbereiten kann, um eventuelle Folgeschäden zu minimieren. Die Studie erschien jüngst im renommierten GLIA-Journal.
Welche Rolle spielt Ezrin bei der Gehirnentwicklung?
„Wie wir durch unsere eigene Forschung wissen, kommt Ezrin im sich entwickelnden Gehirn vor allem in den entstehenden Neuronen vor und ist auch im erwachsenen Gehirn in den peripheren Ausstülpungen der Astrozyten zu finden“, berichtet Prof. Morrison. „Doch bislang fehlen umfassende In-Vivo-Studien zu seiner funktionellen Bedeutung für das Nervensystem“.
Im Rahmen einer Doktorarbeit wurden daher In-Vivo-Studien an Mäusen durchgeführt, denen im Nervensystem Ezrin fehlte. Die anschließenden Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf den Bereich der Großhirnrinde als Modellsystem. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Astrozyten und ihre Fortsätze gerichtet, um die Bedeutung von Ezrin bei der Entwicklung des Gehirns und der Funktion im erwachsenen Gehirn genauer zu erforschen.
Ezrin-Mangel beeinträchtigt nicht die Gehirnentwicklung
„Wir waren zunächst recht erstaunt, dass sich die Mäuse trotz fehlendem Ezrin völlig normal entwickelten. Im Vergleich zu den Wildtyp-Mäusen wiesen sie auch keine offensichtlichen Defizite beim Lernen oder bei der Gedächtnisleistung auf“, berichtet Dr. Stephan Schacke, der seine Doktorarbeit zu diesem Thema verfasste. „Allem Anschein nach übernehmen bei der Entwicklung des Gehirns strukturell und funktionell verwandte Proteine, die Ezrin sehr ähnlich sind, seine fehlende Funktion und wirken so seinem Verlust entgegen.“ Lediglich bei der Erkundung von neuen Umgebungen zeigten die modifizierten Mäuse ein andersartiges, verlangsamtes Verhalten, was auf eine veränderte neuronale Signalverarbeitung hindeutet.
Ezrin-Mangel verändert den Glutamat-Stoffwechsel und die Astrozyten-Form
Durch die Anwendung histologischer Methoden und Proteomanalysen konnte nachgewiesen werden, dass sich durch den Verlust von Ezrin wichtige zellbiologische Prozesse verändern, wie zum Beispiel der Glutamat-Stoffwechsel. Glutamat ist einer der wichtigsten erregenden Botenstoffe (Neurotransmitter) im zentralen Nervensystem, der für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen eine große Bedeutung hat.
Die Stärke der Signalübertragung wird unter anderem durch die Menge des ausgeschütteten Glutamats sowie durch die Geschwindigkeit bzw. die Dauer bis zur Wiederaufnahme des Neurotransmitters (und somit Übertragungsende) gesteuert. Bei der Signalübertragung spielt das Protein GLAST eine wichtige Rolle, welches direkt an der Glutamat-Wiederaufnahme beteiligt ist. Infolge des Verlustes von Ezrin kommt vermehrt GLAST vor, wodurch sich die Wiederaufnahme von Glutamat vermutlich verstärkt. Im Ergebnis schwächt sich einerseits die Signalübertragung ab und verkürzt sich andererseits. Das könnte eine mögliche Erklärung für das verzögerte Erforschungsverhalten der Tiere sein.
Der Verlust von Ezrin führt darüber hinaus zu einer Hochregulierung von GFAP, einem Gliafilament-Protein, das ebenfalls in Astrozyten vorkommt und für seine mechanischen Eigenschaften, die Beweglichkeit und die Zellform der Astrozyten verantwortlich ist. Der Anstieg von GFAP weist darauf hin, dass sich die Astrozyten in ihrem Aussehen morphologisch verändern und einen „reaktiven Status“ annehmen, wie er auch bei Schädigungen oder Erkrankungen des Gehirns zu beobachten ist.
Kann der Verlust von Ezrin Schlaganfällen vorbeugen?
In anknüpfenden Studien konnte gezeigt werden, dass die durch den Ezrin-Verlust ausgelöste Veränderung der Astrozyten im Vergleich zum Wildtyp diese Mäuse besser vor Stress schützt, beispielsweise vor einem ischämischen Schlaganfall, bei dem das Gehirn aufgrund einer blockierten Arterie nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. „Diese Mäuse können einen Schlaganfall deutlich besser verkraften als ihre Wildtyp-Verwandten, da sie durch die Hochregulierung von GLAST bereits gelernt haben, mit der Schädlichkeit und Toxizität von Neurotransmittern, insbesondere des Glutamats, umzugehen, was bei zu hoher Dosis zur Reizüberflutung und dem Absterben von Nervenzellen führen kann“, erläutert Prof. Morrison.
„Unsere Studie liefert damit nicht nur erste wichtige Erkenntnisse über die Bedeutung des Ezrin-Proteins für die Astrozyten-Funktion in unserem Körper, sondern zeigt einen möglichen Weg auf, wie sich nach einem Schlaganfall ein verbessertes Therapieergebnis erreichen lässt, wenn sich die durch die Anreicherung von Glutamat induzierte neuronale Exzitotoxizität, die zu Schäden und dem Absterben von Nervenzellen führt, effizient verhindern lässt.“ Die weitere Forschung dazu wird es zeigen.