Bakteriengift macht Algen bewegungslos

Team aus Biologen und Chemikern entdecken die Wirkweise eines bakteriellen Gifts

05.01.2023 - Deutschland

Forschende der Biologie und Chemie der Universität Jena entschlüsseln Eigenschaften eines Bakteriengifts, das die einzelligen Grünalgen Chlamydomonas reinhardtii bewegungslos macht. Hierbei nutzt das Gift der Bakterienart Pseudomonas protegens mehrere Calciumkanäle der Algen für seinen Angriff: Es lässt die Konzentration von Calciumionen in den Algenzellen ansteigen und bewirkt, dass die Geißeln der Algen verloren gehen. Somit können sie den feindlichen Bakterien nicht mehr entkommen. Ihre Studienergebnisse veröffentlichten die Forschenden im Fachmagazin „New Phytologist“. 

Anxhela Rredhi

Die Doktorandinnen Yu Hou (links) und Yuko Bando (rechts) diskutieren die Calciumantwort der Algenzellen, die am Bildschirm als Peak nach Gabe von synthetischem Orfamid A sichtbar wird.

Wie ein Raubtier im Mikroversum „erlegt“ das Bakterium Pseudomonas protegens sein Opfer Chlamydomonas reinhardtii: Das Bakterium stellt das Gift Orfamid A her und macht damit die Grünalge innerhalb kürzester Zeit bewegungsunfähig. Somit können die Algen nicht mehr zum Licht schwimmen, um Fotosynthese zu betreiben. Das Team um Prof. Dr. Maria Mittag vom Matthias-Schleiden-Institut für Allgemeine Botanik und Pflanzenphysiologie beschäftigte sich nun mit der Wirkweise des Gifts, das chemisch ein Peptid mit langkettiger Fettsäure ist. Gemeinsam mit Prof. Dr. Hans-Dieter Arndt (Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie) und Doktorandin Yuko Bando sowie weiteren Forschenden fanden die Professorin für Allgemeine Botanik und die Doktorandin Yu Hou Hinweise auf den Mechanismus des Gifts: Sobald der Lipidanteil zu kurz ist, vom Peptid entfernt wird oder sich die Form bestimmter Aminosäurebausteine ändert, verliert das Gift an Wirkung. Es löst gezielt bestimmte Calciumkanäle des sogenannten TRP (transient receptor potential)-Typs der Alge aus. Doch wird einer dieser Kanäle ausgeschaltet, etwa durch Mutation, so nimmt der Anteil der aufgenommenen Calciumionen ab und die Neigung zur Entgeißelung sinkt. 

Team aus Biologen und Chemikern entschlüsseln gemeinsam die Wirkweise des Gifts

Mittels chemischer Synthese hat das Team um Prof. Arndt nicht nur das Gift im Labor nachsynthetisiert, sondern auch Varianten mit veränderten chemischen Bausteinen erzeugt. Diese Varianten wurden vom Team um Prof. Mittag vergleichend auf ihre Eigenschaft, einen Einstrom von Calciumionen in die Algenzellen auszulösen, untersucht. Weiterhin wurden Mutanten von Calciumkanälen genutzt, um die ursprünglichen Angriffsziele der bakteriellen Attacke zu finden. Mindestens vier Calciumkanäle des TRP-Typs sind beteiligt. Solche Kanäle sind oft Sensoren für thermische oder auch chemische Reize und können sogar direkt in den Geißeln der Algen liegen. 

Mit ihrer Grundlagenforschung suchen die Forschenden im SFB „ChemBioSys“ nach Naturstoffen, welche die Interaktion von Mikroorganismen vermitteln, und im Exzellencluster „Balance of the Microverse“ nach den zugrundeliegenden Mechanismen und deren Einfluss auf den Wirt, also in diesem Fall die mikroskopisch kleine Alge. Mikroalgen tragen in hohem Maße zur Fixierung des Treibhausgases Kohlendioxid bei, ebenso wie zur globalen Sauerstoffproduktion. Obwohl sie in der Natur eng mit Bakterien und Pilzen zusammenleben, die ihre Fitness positiv oder negativ beeinflussen können, ist das Wissen über diese essentiellen Interaktionen und ihren Einfluss auf unsere Umwelt bislang nur sehr eingeschränkt.

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