Erstmals „schlafende“ Magnetosomen-Gene in nicht-magnetischen Bakterien entdeckt

23.12.2022 - Deutschland

Magnetische Bakterien können ihre Fortbewegungen am Magnetfeld der Erde ausrichten, weil sie in ihrem Zellinneren Ketten magnetischer Nanopartikel enthalten. Die Baupläne für die Herstellung und Verkettung dieser Magnetosomen sind in den Genen der Bakterien gespeichert. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Professoren Dr. Dirk Schüler und Dr. René Uebe an der Universität Bayreuth hat jetzt erstmals ein Cluster solcher Gene in nichtmagnetischen Bakterien entdeckt. Diese Gene sind inaktiv, aber funktionsfähig und wahrscheinlich durch horizontalen Gentransfer in die Bakterien gelangt. In der Zeitschrift "ISME Journal" werden die Forschungsergebnisse vorgestellt.

UBT / Chr. Wißler

Prof. Dr. René Uebe, Prof. Dr. Dirk Schüler und Dr. Marina Dziuba (v.l.) in einem Labor der Bayreuther Mikrobiologie.

Der Gentransfer von einem Organismus auf einen anderen wird immer dann als „horizontal“ bezeichnet, wenn es sich dabei nicht um eine „vertikale“ Vererbung im Rahmen eines Fortpflanzungsvorgangs handelt. Im Reich der Bakterien ist die horizontale Übertragung genetischer Informationen eine wichtige Quelle für die Modifikation existierender Arten oder die Entstehung neuer Arten. Auch die zahlreichen Gene, die in magnetischen Bakterien die Fähigkeit zur Synthese von Magnetosomen steuern, können auf natürliche Weise horizontal an andere Bakterien weitergegeben werden. Bisher wurden diese Gene allerdings nur in solchen Bakterien gefunden, die infolge eines zurückliegenden erfolgreichen Gentransfers bereits Magnetosomen produzieren. Nun aber haben die Bayreuther Mikrobiolog*innen und ihre Forschungspartner in Ungarn und Frankreich erstmals ein Cluster solcher Gene im Genom eines nichtmagnetischen Bakteriums entdeckt. Es handelt sich um Rhodovastum atsumiense, das zu den photosynthetischen Bakterien zählt, weil es die Energie des Sonnenlichts für den eigenen Stoffwechsel nutzen kann. Die in Bakterien dieser Art jetzt entdeckten Gene sind inaktiv: Die Zellen ließen sich im Labor auch unter einer Vielzahl verschiedener Kulturbedingungen nicht zur Bildung von Magnetosomen bewegen. Bisher sind überhaupt noch keine photosynthetischen Bakterien bekannt, die auf natürliche Weise magnetisch sind – wenngleich es der Arbeitsgruppe von Prof. Schüler bereits gelungen ist, derartige Bakterien durch künstlichen Gentransfer zu „magnetisieren“.

„Unseres Wissens ist dies der erste Nachweis eines kompletten Satzes ‚stiller‘ Gene in einem nichtmagnetischen Bakterium. Wahrscheinlich handelt es sich hier um ein relativ frühes Stadium nach der Aufnahme von Genen von einem bisher nicht näher bekannten Spenderbakterium. Weitere Genom-Analysen ergaben, dass das übertragene Gencluster aber höchstwahrscheinlich aus einem magnetischen Bakterium stammt, das der Klasse der Alphaproteobakterien angehört. Zukünftige Untersuchungen müssen noch zeigen, ob diese Gene in der natürlichen Umgebung der Bakterien aktiviert werden können. Unter Laborbedingungen findet jedenfalls keine Aktivierung statt, wie unsere Ergebnisse eindeutig zeigen. Daher lässt sich allein aus dem Vorhandensein von Magnetosomen-Genen noch nicht ableiten, dass eine Biosynthese von Magnetosomen tatsächlich auch stattfindet. Bei der Interpretation entsprechender genomischer Daten, die sich in öffentlichen Datenbanken finden, ist also Vorsicht geboten“, sagt Prof. Dr. Dirk Schüler, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Mikrobiologie innehat.

Die Forscher*innen haben sich auch mit der Frage befasst, weshalb das Wirtsbakterium Rhodovastum atsumiense die Magnetosomen-Gene nicht eliminiert hat, obwohl es im Verlauf der Evolution keinen Selektionsvorteil daraus gezogen hat. „Dies können wir aufgrund unserer Genomanalysen am besten so erklären: Der Gentransfer hat vermutlich erst in einem jüngeren Stadium der Evolution stattgefunden. Eine rasche Eliminierung war nicht erforderlich, weil die Magnetosomen-Gene keinen schädigenden Einfluss auf das Wirtsbakterium haben“, erklärt die Bayreuther Erstautorin Dr. Marina Dziuba, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mikrobiologie.

Die neuen Forschungsergebnisse knüpfen an eine bereits vor zwei Jahren veröffentlichte Studie an. Darin war es den Bayreuther Mikrobiolog*innen gelungen, den kompletten Satz von Magnetosomen-Genen des magnetischen Bakteriums Magnetospirillum gryphiswaldense – das in der Forschung schon lange als Modellorganismus etabliert ist – in das Genom nichtmagnetischer Bakterien einzuschleusen. Diese begannen daraufhin mit der Biosynthese von Magnetosomen. Sie waren offensichtlich in der Lage, die aufgenommenen fremden Gene zu exprimieren.

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