Wie gestresste Tumorzellen dem Zelltod entgehen
Neuer Mechanismus entdeckt
© Uladzimir Barayeu / DKFZ
Erst seit kurzem ist bekannt, dass menschliche Zellen aus der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein sogenannte Persulfide herstellen können. Diese kleinen Moleküle charakterisiert eine Gruppe aus zwei Schwefelatomen und einem Wasserstoffatom. Die Bedeutung der Persulfide im Inneren der Zelle war jedoch von Anfang an rätselhaft und blieb unbekannt.
Uladzimir Barayeu vom DKFZ, Erstautor der aktuellen Publikation, beobachtete, dass Zellen ihre Produktion an Persulfiden ankurbeln, sobald sie durch Radikale gestresst sind und Gefahr laufen, den ferroptotischen Zelltod zu erleiden. Dies war der erste Hinweis, dass Zellen versuchen, sich mit Persulfiden zu schützen. Das Forscherteam zeigte, dass Persulfide Membranschäden und Ferroptose effizient unterdrücken, und legte auch die Wirkungsweise dieser Moleküle offen: Persulfide erwiesen sich als hocheffiziente Radikalfänger. Sie unterbrechen die zerstörerische Kettenreaktion, die die Integrität der Zellmembran bedroht.
Die Wirkung der Persulfide beruht auf einem außergewöhnlichen chemischen Mechanismus. Stößt ein Persulfid auf ein freies Radikal, übernimmt es dessen radikalischen Charakter, wird also selbst zum Radikal. Doch das neue Radikal verhält sich ungewöhnlich. Anders als andere Radikale ist es äußerst reaktionsträge und nicht in der Lage, Schäden anzurichten. Es reagiert ausschließlich mit sich selbst und erzeugt in einer Folgereaktion erneut Persulfide. Das bedeutet, dass sich Persulfide bei der Eliminierung freier Radikale kaum verbrauchen. Deshalb kann schon eine sehr niedrige Konzentration von Persulfiden eine viel höhere Konzentration an Radikalen wirksam eliminieren, wie die Forscher zu ihrer Überraschung feststellten.
Die Heidelberger Wissenschaftler zeigten außerdem, dass die Ferroptose-Empfindlichkeit einer Zelle von bestimmten Enzymen des Schwefelstoffwechsels abhängt, die Persulfide erzeugen. „Durch unsere neuen Resultate könnten sich vollkommen neue Ansatzpunkte ergeben, um die innere Widerstandsfähigkeit von Krebszellen zu attackieren, zum Beispiel durch pharmakologische Inhibitoren der Enzyme, die für die Persulfid-Produktion zuständig sind", sagt Tobias Dick, Letztautor der aktuellen Publikation.