Wie man Krebszellen erstickt

Selbstassemblierende Moleküle könnten bei der Krebstherapie helfen

12.09.2022 - Deutschland

Die Entwicklung medizinischer Behandlungen gegen Krebs ist weltweit ein großes Forschungsthema - doch Krebszellen schaffen es oft, die gefundenen Lösungen zu umgehen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Tanja Weil und David Ng, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Polymerforschung (MPI-P), haben nun die Gegenmaßnahmen des Krebses genauer unter die Lupe genommen um diese zu stoppen. Indem sie die zellulären Komponenten stören, die für die Umwandlung von Sauerstoff in chemische Energie verantwortlich sind, konnten sie erste Erfolge bei der Eliminierung von Zellen aus unbehandelbarem metastasierendem Krebs nachweisen.

© Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Durch die Bedingungen in einer Krebszelle können sich Moleküle – hier hellgrün gezeichnet – zu langen Haaren zusammenfügen. Diese stoppen dann die Umwandlung von Sauerstoff in Energie, welche die Zelle zum Wachstum benötigt.

Die Behandlung von Krebs ist ein langwieriger Prozess, da sich Reste lebender Krebszellen oft zu aggressiven Formen weiterentwickeln und unbehandelbar werden. Daher umfassen die Behandlungspläne oft mehrere Medikamentenkombinationen und/oder eine Strahlentherapie, um einen Rückfall zu verhindern. Um die Vielfalt der Krebszelltypen zu bekämpfen, wurden moderne Medikamente entwickelt, die auf spezifische biochemische Prozesse abzielen, die in jedem Zelltyp einzigartig sind.

Krebszellen sind jedoch sehr anpassungsfähig und in der Lage, Mechanismen zu entwickeln, um die Auswirkungen der Behandlung zu umgehen. "Wir wollen eine solche Anpassung verhindern, indem wir in den Grundpfeiler des zellulären Lebens eingreifen, nämlich wie Zellen atmen - das heißt Sauerstoff aufnehmen - und so chemische Energie für das Wachstum produzieren", sagt David Ng, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Polymerforschung.

Das Forscherteam hat einen synthetischen Wirkstoff hergestellt, der in die Zellen eindringt, auf die dort herrschenden Bedingungen reagiert und einen chemischen Prozess initiiert. Dadurch binden sich die Moleküle des Wirkstoffs aneinander und bilden winzige Härchen, die tausendmal dünner sind als ein menschliches Haar. "Diese Härchen sind fluoreszierend, so dass man sie direkt mit einem Mikroskop betrachten kann, wenn sie sich bilden", sagt Zhixuan Zhou, Alexander-von-Humboldt-Stipendiat und Erstautor der Arbeit.

Die Wissenschaftler überwachten den Sauerstoffverbrauch in verschiedenen Zelltypen und fanden heraus, dass die Haare alle von ihnen daran hindern, Sauerstoff in ATP umzuwandeln - ein Molekül, das für die Energieversorgung der Zellen verantwortlich ist. Der Prozess funktionierte sogar bei Zellen, die aus unbehandelbarem metastasierendem Krebs stammen. Das Ergebnis war, dass die Zellen innerhalb von vier Stunden abstarben. Nach einigen weiteren Jahren der Forschung hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sie eine neue Methode zur Behandlung von bisher unheilbarem Krebs entwickeln können.

Weil, Ng und seine Kollegen haben unter kontrollierten Laborbedingungen ein vielversprechendes Ergebnis erzielt und werden weiter erforschen, wie diese winzigen Härchen die Umwandlung von Sauerstoff in chemische Energie verhindern. Bei weiterer Entwicklung könnten diese Objekte in Zukunft möglicherweise auch zur Kontrolle anderer zellulärer Prozesse manipuliert werden, um andere wichtige Krankheiten zu behandeln.

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