Künstliche Intelligenz verbessert Behandlung von Frauen mit Herzinfarkt

Risikoprofil und Krankheitsbild ist bei Frauen anders

02.09.2022 - Schweiz

Verglichen mit Männern sterben Frauen häufiger an einem Herzinfarkt. Gründe sind Unterschiede im Alter und in Begleiterkrankungen, die auch die Risikoabschätzung bei Frauen erschweren. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz haben Forschende der Universität Zürich eine neue Risikobewertung entwickelt, die die personalisierte Versorgung von Frauen mit Herzinfarkt verbessert.

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Ein aktuer Herzinfarkt führt bei Frauen oft zu Bauchschmerzen, die in den Rücken ausstrahlen – und wird deshalb häufig nicht als solcher erkannt (Symbolbild).

Herzinfarkt ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Frauen, die einen Herzinfarkt erleiden, haben eine höhere Sterblichkeitsrate als Männer. Dieser Befund bereitet Kardiologen seit Jahrzehnten Sorge und hat zu medizinischen Kontroversen über die Ursachen und Auswirkungen allfälliger Behandlungslücken geführt. Das Problem fängt bei den Symptomen an: Im Gegensatz zu Männern, die meist einen schmerzhaften Druck auf der Brust mit Ausstrahlung in den linken Arm verspüren, führt ein Herzinfarkt bei Frauen häufig zu Bauchschmerzen und einem Ausstrahlen in den Rücken oder Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome werden aber von den Betroffenen und den erstbetreuenden Ärztinnen und Ärzten oft falsch interpretiert – mit verhängnisvollen Folgen.

Risikoprofil und Krankheitsbild ist bei Frauen anders

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Thomas F. Lüscher, Professor am Zentrum für Molekulare Kardiologie der Universität Zürich (UZH), hat die Rolle des biologischen Geschlechts bei Herzinfarkten nun genauer untersucht. «Unsere Untersuchung zeigt, dass sich Frauen und Männer in ihrem Risikofaktorprofil bei der Aufnahme ins Krankenhaus deutlich unterscheiden. Auch das Krankheitsbild von Frauen und Männern mit Herzinfarkt ist unterschiedlich», sagt Lüscher. So weisen Patientinnen eine höhere Sterblichkeit auf als Patienten, wenn man die Altersunterschiede bei der Einlieferung und bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes ausser Acht lässt. «Werden diese Unterschiede aber statistisch berücksichtigt, weisen Frauen und Männer eine ähnliche Sterblichkeit auf», ergänzt der Kadiologe.

Aktuelle Risikomodelle begünstigen Unterbehandlung von Patientinnen

In ihrer Studie, die im Fachmagazin «The Lancet» publiziert wurde, haben die Forschenden aus der Schweiz und dem Vereinigten Königreich die Daten von 420'781 Patientinnen und Patienten aus ganz Europa mit der häufigsten Art von Herzinfarkt analysiert. «Die Studie zeigt unter anderem, dass etablierte Risikomodelle, die das derzeitige Patientenmanagement steuern, bei Frauen weniger genau sind und die Unterbehandlung weiblicher Patienten begünstigen», sagt Erstautor Florian A. Wenzl vom Zentrum für Molekulare Medizin der UZH. «Mit Hilfe von maschinellem Lernen und den grössten Datensätzen in Europa haben wir einen neuartigen Risikoscore entwickelt, der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Risikoprofil berücksichtigt und die Vorhersage der Sterblichkeit bei Frauen und Männern verbessert», so Wenzl.

KI-basierte Risikoprofile verbessern individualisierte Versorgung

Viele Forschenden und Biotech-Unternehmen sind sich einig, dass künstliche Intelligenz und die Analyse von Big Data der nächste Schritt auf dem Weg zur personalisierten Patientenversorgung sind. «Unsere Studie läutet die Ära der künstlichen Intelligenz in der Behandlung von Herzinfarktpatienten ein», sagt Wenzl. Moderne Computeralgorithmen können aus grossen Datensätzen lernen und genaue Vorhersagen über die Prognose einzelner Patienten und Patientinnen treffen. Und diese sind wiederum der Schlüssel zu individualisierten Behandlungen.

Thomas F. Lüscher und sein Team sehen grosses Potenzial in der Anwendung von künstlicher Intelligenz zur Verbesserung der Therapie von Herzerkrankungen sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Patienten. «Wir hoffen, dass der Einsatz der neuen Risikobewertung die derzeitigen Behandlungsstrategien verfeinern, geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringern und letztlich das Überleben insbesondere von Frauen mit Herzinfarkt verbessern wird», sagt Lüscher.

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