Mikrochip detektiert Impflücken

Ein neuer Mikrochip testet parallel auf Antikörper gegen Corona, Masern, Diphterie und Tetanus – mit einem einzigen Tropfen Blut

02.08.2022 - Deutschland

Wissenschaftler des InfectoGnostics Forschungscampus Jena haben einen neuen Microarray entwickelt, mit dem sich Antikörper gegen verschiedenste Infektionserreger nachweisen lassen. Mit einem einzigen Tropfen Blut des Patienten kann so getestet werden, ob das Immunsystem auf eine Impfung angesprochen hat oder eine antikörper-vermittelte Immunität nach Infektion besteht. Für die Entwicklung und Validierung des Tests haben die Campuspartner Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT), fzmb GmbH, Virion\Serion GmbH sowie das Universitätsklinikum Jena (UKJ) kooperiert. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Scientific Reports“ publiziert und sind kostenlos zugänglich (DOI: 10.1038/s41598-022-10823-7).

Photo by CDC on Unsplash

Um sich gegen Infektionserkrankungen und Fremdstoffe zur Wehr zu setzen, bildet das Immunsystem des Menschen spezielle Proteine gegen den Krankheitserreger aus – sogenannte Antikörper. Doch diese Antikörper richten sich nicht gegen den gesamten Erreger, sondern binden per Schlüssel-Schloss-Prinzip stets an ganz bestimmte molekulare Strukturen des Eindringlings, die man auch „Antigene“ nennt. InfectoGnostics-Wissenschaftler haben nun im RESISTOVAC-Projekt eine Testplattform entwickelt, bei der man Dutzende solcher Antigene auftragen kann. Mit einem einzigen Tropfen Blut des Patienten kann so parallel auf mehrere Antikörper gegen übliche und neue Infektionskrankheiten getestet werden.

Zentraler Fokus war bei der Entwicklung zunächst ein genaueres Screening der Immunreaktion auf das Coronavirus. Zum Einsatz kam dabei ein sogenannter Protein-Microarray: Das ist ein weniger Millimeter kleiner Chip, auf dem verschiedene Antigene als Fängermoleküle aufgetragen und gebunden sind. Bringt man Antikörper aus dem Patientenblut mit den passenden Antigenen auf dem Chip zusammen, verfärben sich durch eine speziell entwickelte Methode entsprechende Testfelder auf dem Mikroarray – ein gesuchter Antikörper muss also im Blut vorhanden gewesen sein.

Um die Zuverlässigkeit dieses Nachweises zu validieren, haben die InfectoGnostics-Forscher unterschiedliche SARS-CoV-2-Antigene auf den Microarray aufgetragen und gegen reale Proben von Covid-19-Patienten aus Thüringen getestet: „Wir wollten dabei die relativ spät gebildeten IgG-Antikörper nachweisen – eine Art Langzeitgedächtnis des Immunsystems gegen Bestandteile eines Erregers. Für deren Nachweis haben wir 18 Antigen-Kombinationen für das Corona-Virus als Fängermoleküle aufgebracht“, erläutert Sindy Burgold-Voigt, Erstautorin der Studie und Doktorandin am Leibniz-IPHT.

Kooperation von mehreren Partnern aus dem InfectoGnostics Forschungscampus

Konzipiert wurde der Microarray von den Leibniz-IPHT-Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe „Optisch-molekulare Diagnostik und Systemtechnologie“ unter der Leitung von Prof. Ralf Ehricht, gemeinsam mit den Entwicklern der fzmb GmbH aus Bad Langensalza. Hergestellt wurde der Microarray schließlich auf Basis des „Inter-Array“-Systems der fzmb GmbH. Ein weiter Firmenpartner von InfectoGnostics, die Virion\Serion GmbH, stellte zudem Antigene für Corona und andere Erreger zur Verfügung.

Für die Antigen-Referenzierung und Validierung des Tests stellte das Universitäts­klinikum Jena Biobank-Proben und Daten aus ihrer 2020 in Neustadt am Rennsteig durchgeführten Corona-Studie „CoNAN“ bereit. Das Dorf in Nordthüringen wurde zu Beginn der Pandemie komplett unter Quarantäne gestellt und von UKJ-Forschern systematisch in einer epidemiologischen Studie erfasst.

Immunsysteme reagieren äußerst individuell auf Coronaviren

In ihrer Auswertung stellten die Wissenschaftler fest, dass die Immunantwort individuell sehr verschieden ausfällt: So hatten einige Patienten beispielsweise nur Antikörper gegen ein Protein entwickelt, welches das Erbgut des Virus einhüllt – das Nucleocapsid. Andere Patienten hatten hingegen Antikörper gegen das sogenannte Spike-Protein – die spitzen Strukturen, mit denen sich das Virus an menschliche Zellen anheftet. Wieder andere hatten gegen beide Corona-Antigene die passenden Antikörper.

Die kluge Kombination von verschiedenen Antigenen auf einem einzigen Test kann damit von hoher Bedeutung für das Verständnis der Antikörper-Immunabwehr und die Arbeit an neuen Impfstoffen sein, erläutert Sindy Burgold-Voigt: „Für die Weiterentwicklung und Effizienzanalysen von Impfungen ist es extrem wichtig, dass die Forschung ein diagnostisches Werkzeug hat, mit dem man sich einen schnellen Überblick über die Immunreaktion verschaffen kann.“

Microarray für alle STIKO-Impfungen könnte Hinweise auf Impflücken geben

Zusätzlich zu verschiedenen Oberflächenstrukturen des Coronavirus wurden auch drei Antigene von den Erregern für Diptherie, Masern und Tetanus auf den Test gebracht, auf die geimpfte Personen typischerweise reagieren. Auch hier konnte eine entsprechende Antikörperreaktion bei geimpften Personen erfolgreich nachgewiesen werden. „Wir konnten so zeigen, dass wir den Test flexibel erweitern und verschiedene Antikörper während einer einzigen Testung im Patientenblut nachweisen können. In Zukunft könnte man also einen Mikroarray für alle von der STIKO empfohlenen Impfungen zusammenstellen, mit dem man schnell und günstig auf mögliche Impflücken screenen könnte“, erklärt Sindy Burgold-Voigt.

Unterstützt wurde die Test-Entwicklung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des InfectoGnostics-Leitprojekts RESISTOVAC, das die Entwicklung von POC-Tests zur Bestimmung des Immunstatus und bakterieller Resistenzfaktoren zum Ziel hat. Darüber hinaus wurde die Studie durch den Freistaat Thüringen gefördert und durch Mittel der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert.

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