Die Gene im Blick

Für ein gutes Sehvermögen sind auch bisher unbekannte Gene verantwortlich

07.07.2022 - Deutschland

Zahlreiche Menschen leiden unter Augenkrankheiten, die im schlimmsten Fall zur Erblindung führen können. Während Grauer Star, Grüner Star und Makuladegeneration als Krankheitsbild inzwischen gut erforscht sind, werden diese Krankheiten weiterhin von bisher unbekannten Genen beeinflusst. Ein Team von Wissenschaftler*innen aus Frankfurt am Main und Dresden hat sich nun bei Säugetieren auf die Suche nach diesen unentdeckten Genen begeben, die Funktionen im Auge übernehmen. Bei ihren umfassenden Genomanalysen sind sie auf 15 bisher unbekannte „Augen-Gene“ gestoßen und konnten 14 weitere Gene bestätigen, die für das Sehvermögen wichtig sind. Die Studie ist wegweisend, da sie Genomanalysen nutzt, um Funktionen von Genen vorherzusagen und damit eine Grundlage für die weitere Erforschung des Sehens bildet.

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Symbolbild

Ein vermindertes Sehvermögen beeinträchtigt Menschen in ihrem Alltag und ihrer Lebensqualität. Für manche Tiere ist ein klarer Blick hingegen nicht notwendig und hat sich im Laufe der Evolution nicht ausgebildet oder zurückgebildet. Zu den bekanntesten Säugetieren mit geringem Sehvermögen zählen die Große Braune Fledermaus, die sich bestens über Echoortung orientiert, und bei den Nagetieren die Blindmäuse und der Nacktmull. Mit ihnen nah verwandte Tierarten hingegen können bestens sehen: Flughunde, die keine Echoortung nutzen, und Nagetiere wie Ratten und Meerschweine. Hier setzt die im Fachjournal „eLife“ veröffentlichte Studie von Forscher*innen des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main sowie des Dresdner Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik und des Zentrums für Regenerative Therapien an der Technischen Universität Dresden an.

Die Wissenschaftler*innen verglichen die Genome von 49 Säugetieren mit geringem und gutem Sehvermögen. „Bei jeder Art haben wir alle Gene daraufhin untersucht, ob sie unbeschädigt sind und damit vermutlich eine Aufgabe übernehmen, oder ob sie kaputt und damit in ihrer Funktion verloren gegangen sind. Daraus ergibt sich dann ein sogenanntes ‚evolutionäres Verlustmuster‘“, erläutert die Erstautorin der Studie, Dr. Henrike Indrischek vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik. „Es ist für uns sehr informativ und interessant zu sehen, wie sich das Vorkommen eines Gens in den verschiedenen Tierarten verteilt. Ist ein Gen im blinden Goldmull verloren gegangen, aber in seinem nächsten von uns untersuchten Verwandten, dem Elefanten, unbeschädigt, kann das auf eine Funktion im Auge hindeuten. Unsere Liste potenziell wichtiger ‚Augen-Gene‘ enthält nur Gene, die mindestens drei Mal unabhängig voneinander in Tierarten mit geringem Sehvermögen verloren gegangen sind.“

Eines der 29 Gene, die vermutlich für das Sehvermögen eine Rolle spielen, hat besonderes Interesse beim Team geweckt: SERPINE3. Bei Versuchen an Zebrafischen konnten sie nachweisen, dass eine Löschung dieses Gens zu Veränderungen in der Augen- und Netzhautbeschaffenheit führt. „Zebrafische bieten sich in der Augenforschung an, da sie, ähnlich wie der Mensch, mehrere Farben unterscheiden können und sich zudem schnell vermehren“, erläutert Indrischek. „Auch andere Studien bringen SERPINE3 in Verbindung mit genetischen Varianten, die im menschlichen Auge Merkmale beeinflussen. Daher vermuten wir, dass eine Störung des Gens beim Menschen zu Augenmerkmalen und altersbedingten Augenerkrankungen beiträgt.“

Die Veröffentlichung zählt zu den wenigen Studien, die das Genverlust-Muster einsetzen, um Funktionen von Genen vorherzusagen. „So ist es uns möglich, auch bisher unbekannten ‚Augen-Genen‘ auf die Spur zu kommen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Michael Hiller vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik. „Dabei verbinden wir Studien der Vergleichenden Genomik mit Experimenten in Modellorganismen, um diese Gene ausfindig zu machen und ihre Funktion vorherzusagen. Bei unserer Forschung haben wir neben SERPINE3 noch einige weitere spannende Gene gefunden, die bisher nicht erforscht sind, doch vermutlich dazu beitragen, dass sich das Sehvermögen von Tierarten voneinander unterscheidet. Wir sehen hier großes Potenzial für die künftige Erforschung von Augenleiden.“

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