Fleischalternativen aus Pilzkulturen könnten helfen, die Wälder der Erde zu retten

Grüne Biotechnologie muss durch grüne Energie angetrieben werden

06.05.2022 - Deutschland

Wenn bis 2050 nur ein Fünftel des pro-Kopf Rindfleischkonsums durch Fleischalternativen aus mikrobiellem Protein ersetzt wird, könnte das die weltweite Entwaldung halbieren: Das ist das Ergebnis einer neuen Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde und zum ersten Mal mögliche Auswirkungen dieser bereits marktreifen Lebensmittel auf die Umwelt umfassend untersucht. Der aus Pilzkulturen durch Fermentierung produzierte Fleischersatz ähnelt echtem Fleisch in Geschmack und Konsistenz, ist aber ein biotechnologisches Produkt. Gegenüber Rindfleisch erfordern diese Fleischalternativen deutlich weniger Landressourcen und können somit die Treibhausgasemissionen durch Viehhaltung und die Ausweitung von Acker- und Weideland stark senken. Die Analyse geht von der Annahme aus, dass die wachsende Weltbevölkerung immer mehr Appetit auf Rindfleisch hat.

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Die Herstellung von Burger-Patties mit mikrobiellen Proteinen anstelle von Rindfleisch kann die Kohlenstoffemissionen erheblich reduzieren

"Die Produktion und der Konsum von Nahrungsmitteln machen ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen aus, wobei die Produktion von Rindfleisch die größte Einzelquelle ist", sagt Florian Humpenöder, Forscher am PIK und Hauptautor der Studie. Das liegt zum Großteil daran, dass kohlenstoffspeichernde Wälder für Weide- oder Ackerflächen immer weiter gerodet werden sowie an weiteren Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Ein Teil der Lösung könnte in bereits existierender Biotechnologie liegen: Nährstoffreiche, proteinreiche Biomasse mit fleischähnlicher Konsistenz, die von Mikroorganismen durch Fermentierung produziert wird - von Forschenden als mikrobielles Protein, also Eiweiß, bezeichnet.

"Würde man Wiederkäuerfleisch, also vor allem Rind-, aber auch Schaf- und Ziegenfleisch durch mikrobielles Protein ersetzen, könnte man die künftigen Umweltschäden durch das Ernährungssystem erheblich verringern", sagt Humpenöder. "Die gute Nachricht ist: Die Menschen müssen keine Angst haben, dass sie in Zukunft nur noch Gemüse essen sollen. Sie können weiterhin Burger & Co. essen, nur werden die Burger-Pattys dann anders hergestellt."

Nachhaltige Burger: Rinderhackfleisch durch mikrobielles Protein ersetzen

Das Forschungsteam aus Deutschland und Schweden hat mikrobielles Protein in einer Computersimulation in den Kontext des gesamten Agrar- und Ernährungssystems gestellt, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu ermitteln. Dieser Ansatz unterscheidet sich von früheren Studien, die nur einzelne Produkte betrachteten. Die Zukunftsszenarien der Forschenden reichen bis zum Jahr 2050 und berücksichtigen das künftige Bevölkerungswachstum, die Nahrungsmittelnachfrage, die Ernährungsgewohnheiten und die Dynamiken der Landnutzung und der Landwirtschaft. Da der Fleischkonsum in Zukunft wahrscheinlich weiter ansteigen wird, könnten immer mehr Wälder und nicht bewaldete natürliche Vegetation für Weide- und Ackerflächen verloren gehen.

"Wir haben herausgefunden, dass sich die jährliche Entwaldung und die CO2-Emissionen durch die Ausweitung von Acker- und Weideland im Vergleich zu einem Weiter-So-Szenario halbieren würden, wenn wir bis 2050 20 Prozent des pro-Kopf Konsums von Rindfleisch ersetzen würden. Weniger Rinder bedeuten weniger Bedarf an Futter- und Weideflächen und daher weniger Entwaldung - und reduzieren auch die Methanemissionen aus dem Pansen von Rindern und die Lachgasemissionen aus der Düngung von Futtermitteln oder der Güllewirtschaft", sagt Humpenöder. " Hackfleisch durch mikrobielles Protein zu ersetzen wäre also ein guter Anfang, um die Umweltschäden der heutigen Rindfleischproduktion zu verringern."

Fleischersatz aus mikrobiellem Protein kann von landwirtschaftlicher Produktion entkoppelt werden

"Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen von Fleischersatzprodukten", erklärt Isabelle Weindl, Mitautorin und ebenfalls Forscherin am PIK. "Es gibt pflanzliche Produkte wie Soja-Burger, die man in Supermärkten findet. Es gibt tierische Zellen, die in einem Wachstumsmedium kultiviert werden, auch bekannt als Labor- oder in-vitro-Fleisch, das bisher sehr teuer ist, aber in letzter Zeit viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat. Und es gibt fermentativ gewonnenes mikrobielles Protein auf Basis von Pilzkulturen, das wir für sehr interessant halten. Schon heute ist eine große Produktpalette davon etwa in Großbritannien und Schweiz im Supermarkt erhältlich und, was wichtig ist, es kann weitgehend von der landwirtschaftlichen Produktion entkoppelt werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Herstellung von mikrobiellem Protein viel weniger landwirtschaftliche Fläche erfordert als die gleiche Menge Protein aus Fleisch – sogar, wenn man den Anbau des Zuckers einrechnet, den die Mikroben benötigen.“

Mikrobielles Protein wird in speziellen Kulturen hergestellt, ähnlich wie Bier oder Brot. Die Mikroben brauchen Zucker und eine konstante Temperatur. Daraus entsteht ein sehr proteinreiches Produkt, das so schmeckt, sich so anfühlt und so nahrhaft ist wie Rindfleisch. Die Technik basiert auf der jahrhundertealten Methode der Fermentation und wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) gab 2002 grünes Licht für eine von Mikroben hergestellte Fleischalternative („Mycoprotein“) und stufte sie als sicher ein.

Grüne Biotechnologie muss durch grüne Energie angetrieben werden

"Biotechnologie kann eine wichtige Rolle spielen für Herausforderungen einer umweltschonenden Landwirtschaft, von der Erhaltung der Ökosysteme bis zur Verbesserung der Ernährungssicherheit", sagt Mitautor Alexander Popp, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzungs-Management am PIK.

 „Alternativen zu tierischen Proteinen, zum Beispiel auch was Milchersatzprodukte betrifft, könnten dem Tierwohl massiv zugutekommen, Wasser sparen und Naturräume und Artenvielfalt schonen. Allerdings bringt die Verlagerung vom Tier zum Fermentations-Tank weitere Fragen mit sich - allen voran die Energieversorgung für den Produktionsprozess.

"Eine groß angelegte Umstellung auf Biotech-Lebensmittel muss einhergehen mit einer klimafreundlichen Stromerzeugung. Nur so kann das Klimaschutzpotenzial voll wirken", so Popp weiter. "Aber wenn wir es richtig anpacken, kann mikrobielles Protein auch Fleischliebhabern den Wandel erleichtern. Schon kleine Häppchen können viel bewirken."

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