Immunreaktionen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
Neue Population von Immunzellen entdeckt, die vermehrt bei Morbus-Crohn vorkommt
© Andre Franke/Renate Nikolaus, Kiel University
Neue Untergruppe von T-Zellen entdeckt
Die spezifischen T-Zellen lassen sich durch Analyse der T-Zell-Rezeptoren erfassen. Diese Rezeptoren befinden sich auf der Oberfläche der Zellen und unterscheiden sich zwischen den T-Zellen, je nachdem, welches Antigen sie erkennen. „Sie dienen also als eine Art Personalausweis für jede T-Zelle“, erklärt Professorin Petra Bacher, Co-Leiterin der Studie. „Mithilfe einer speziellen Sequenzierungstechnik haben wir Hunderttausende von T-Zell-Rezeptoren aus dem Blut und dem Darmgewebe von Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Gesunden analysiert.“ Zusätzlich wurden mit der sogenannten Einzelzellsequenzierung, spezifische T-Lymphozyten charakterisiert und hinsichtlich ihrer funktionellen Eigenschaften untersucht. Dabei fiel auf, dass eine bestimmte Gruppe von T-Zell-Rezeptoren im Blut von Personen mit Morbus Crohn gehäuft vorkommt. Obwohl diese Zellen auch bei gesunden Menschen vorkommen, waren sie bei an Morbus Crohn erkrankten Personen stark erhöht. Rosati: „Wir wissen, dass Morbus Crohn eine sehr heterogene Krankheit ist, die sich von Person zu Person stark unterscheidet. Das Vorhandensein oder Fehlen dieser Zellen, die wir als Crohn-assoziierte invariante T-Zellen (CAIT) bezeichnet haben, könnte möglicherweise einen neuen immunologischen Subtyp der Krankheit beschreiben.
Ansatzpunkt für diagnostisches „Profiling“
Außerdem könnten die CAIT-Zellen zur Unterscheidung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa dienen. Die beiden Hauptformen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen werden zwar häufig in einem Atemzug genannt. Es handelt sich klinisch gesehen aber um zwei unabhängige Krankheiten mit unterschiedlichen Krankheitsphänotypen. Es gibt zwar klinische Merkmale und Marker zur Unterscheidung der beiden Krankheiten, doch nicht immer sind diese eindeutig, was manchmal zu Fehldiagnosen führt. „Weitere Erkenntnisse zur Unterscheidung der beiden Formen von CED könnten zu einem besseren Verständnis der Pathophysiologie sowie zur Entwicklung künftiger Strategien für die Diagnose und Therapie der Krankheiten führen“, erklärt Seniorautor Professor Andre Franke, Direktor des IKMB.
Von einigen Blut- und Darm-Proben wurde das Genprofil einzelner T-Zellen genauer untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass CAIT-Zellen zu einer speziellen Gruppe von T-Lymphozyten gehören, die funktionell zwischen der erworbenen und der angeborenen Immunität angesiedelt sind. Diese angeborenen T-Zellen erkennen Krankheitserreger meist nicht über die klassischen humanen Leukozytenantigene (HLA), sondern über andere Moleküle und werden daher als "unkonventionelle T-Zellen" bezeichnet. Eine Art von unkonventionellen T-Zellen sind insbesondere die natürlichen Killer-T-Zellen. Die hier identifizierte T Zell Population hat sehr ähnliche Eigenschaften wie natürliche Killerzellen, die Teil des angeborenen Immunsystems sind. „Die von uns identifizierten CAIT-Zellen scheinen eine Untergruppe der natürlichen Killer-T-Zellen zu sein. Die Rolle dieser Zellen bei CED und insbesondere bei Morbus Crohn ist noch unklar, und unsere Ergebnisse legen nahe, dass es interessant sein könnte, sie weiter zu untersuchen“, betont Andre Franke.
Welches Antigen die CAIT-Zellen erkennen, was also der Auslöser für deren Immunreaktion ist, konnte noch nicht geklärt werden. Diese Frage ist Gegenstand von aktuell laufenden Arbeiten.