Immunzellen als Hausbesetzer
Entgegen bisheriger Annahme bleiben manche Blutzellen jahrelang im Gewebe
Daniela Leitner/Science Immunology
Gelangen Krankheitserreger in den menschlichen Körper, sind eine Vielzahl von Immunzellen schnell zur Stelle, um die Eindringlinge zu erkennen und zu zerstören. Unter ihnen sind auch sogenannte T-Zellen, eine Gruppe weißer Blutkörperchen. Sie können Eindringlinge wie Viren oder Bakterien direkt erkennen.
Neue Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Bezeichnung „Blutzellen“ für diese Gruppe zumindest irreführend ist. „Wir konnten zeigen, dass T-Zellen manchmal jahrelang in der Haut verbleiben und so optimal an die Ortssituation angepasst sind“, sagt Christina Zielinski.
Die meisten T-Zellen bleiben im Gewebe
„Man ging lange davon aus, dass T-Zellen nur kurz durch das Gewebe zirkulieren, um zum Beispiel einen Infekt zu bekämpfen, dort aber nicht länger verweilen, sondern direkt zurück in die Blutbahn wandern“, erklärt Zielinski. Die Ergebnisse ihres Teams zeigen nun jedoch, dass ein großer Teil der T-Zellen langfristig im Gewebe ist und nur wenige Zellen im Körper zirkulieren. „Das zeigt auch, dass Blutproben wahrscheinlich nur wenig darüber aussagen, wie gut die Abwehrkräfte eines Menschen sind“, so Zielinski.
Um die T-Zellen im Menschen zu verfolgen und herauszufinden, welche Zelle sich wo aufhält und wie lange sie dort verbleibt, musste sich das Team eines Tricks bedienen. „Wir haben Proben von Patienten untersucht, die eine allogene Stammzelltransplantation erhalten haben“, so Zielinski. Das heißt, bei diesen Patienten wurde durch Chemotherapie und Bestrahlung das eigene Immunsystem zerstört und mithilfe von Blutstammzellen eines Spenders wiederaufgebaut. Das kann insbesondere bei einer Leukämie die einzige Möglichkeit der Heilung sein.
Die Forschenden untersuchten Haut-Biopsien und Blutproben, die zwei bis drei Jahre nach der Stammzelltherapie entnommen wurden. So konnten sie feststellen, ob die gefundenen T-Zellen von Patient oder Spender stammten. „Wir haben dafür den genetischen Fingerabdruck einzelner Zellen ermittelt“, erklärt Zielinski. Damit konnte sie zeigen, dass die Hälfte der T-Zellen in der Haut vom Patienten selbst stammen, im Blut hingegen fast ausschließlich T-Zellen des Spenders zu finden sind. Demnach haben die patienteneigenen Immunzellen jahrelang im Hautgewebe überdauert. Allerdings nur bei knapp einem Viertel der Empfänger der Stammzelltherapie, bei allen anderen war das Immunsystem tatsächlich komplett ausgetauscht worden.
Mögliche Folgen für Transplantationen
„Noch ist unklar, warum manche Patienten ihre eigenen Immunzellen behalten“, sagt Zielinski. Auch, was das für Auswirkungen habe, müsse noch näher erforscht werden. Sie vermute, dass die residenten T-Zellen eine schützende Funktion haben könnten. „Ich stelle mir das wie eine Hausbesetzung vor: Die Spenderzellen kommen dann nicht ins Gewebe rein, weil das schon durch die patienteneigenen T-Zellen besetzt ist.“ Daher könnten sie auch keine Entzündung verursachen. Die gefundenen residenten T-Zellen seien von einer entzündungshemmenden Sorte, was diese These unterstützt.
Ihre Arbeitsgruppe wird sich nun auf die Auswirkungen bei Lebertransplantationen konzentrieren. Auch hier sei die Frage, ob im Gewebe verbliebene T-Zellen – in diesem Fall des Spenders – das Organ möglicherweise vor einer Abstoßung schützen könnten.
Erkenntnisse über das Immunsystem
„Die residenten T-Zellen sind optimal an die Haut angepasst und können so deren Barrierefunktion in der Abwehr von Erregern gezielt unterstützen“, sagt Zielinski. Durch die heute mögliche RNA-Analyse einzelner Zellen (Single-Cell-RNA-Sequencing) konnte das Forschungsteam zudem erkennen, dass manchmal sogenannte T-Gedächtniszellen die Gewebe wieder verlassen und dann im Blutkreislauf zu finden sind. „Das könnte der Kommunikation mit anderen Organen dienen“, vermutet Zielinski. Die von ihrem Team gefundenen Marker für residente Zellen können nun genutzt werden, um residente Zellen einfacher aufzufinden und ihre Funktion genauer zu untersuchen.