Protein ZAP hemmt Vermehrung von SARS-CoV-2 um das 20-Fache
Hoffnungsschimmer in der Pandemie
HIRI/Britta Grigull
SARS-CoV-2 und andere Viren, deren Erbgut aus Ribonukleinsäuren (RNA) besteht, nutzen einen Vermehrungstrick, der als programmierte ribosomale Leserasterverschiebung bezeichnet wird. Dabei erweisen sich diese Viren als Meister der Manipulation: Sie dringen in die Wirtszellen ein und kapern dort den Prozess, den die Zellen nutzen, um genetische Informationen von einer Boten-RNA abzulesen und Proteine herzustellen. Die Viren verändern die streng geregelte Leserichtung: Dadurch können sie ihre eigenen Proteine produzieren und sich vermehren.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, diesen Vermehrungstrick beim Coronavirus SARS-CoV-2 zu unterbinden, haben Forschende am HIRI jetzt einen Restriktionsfaktor namens ZAP identifiziert. ZAP (von Englisch: Zinc Finger Antiviral Protein) ist als immunmodulatorisches und antivirales Protein bereits bekannt: „ZAP ist ein multifunktionales Molekül in der Immunabwehr, das eine überschießende Immunantwort beruhigen und die virale Aktivität herunterfahren kann“, erklärt Jun. Prof. Neva Caliskan, Forschungsgruppenleiterin am HIRI und Leiterin der Studie.
Starker Rückgang der Viruslast
Noch nicht erforscht war bislang, ob und wie Proteine wie ZAP in die ribosomale Leserasterverschiebung von SARS-CoV-2 eingreifen. „Die Leserasterverschiebung hat sich evolutionär als Herzstück der Virusreplikation durchgesetzt. Und genau das macht sie zu einem attraktiven Wirkstoffziel“, sagt Matthias Zimmer, einer der zwei Erstautoren der Studie. „Interessanterweise konnten wir nachweisen, dass ZAP an die virale RNA bindet, die die Leserasterverschiebung auslöst“, ergänzt der HIRI-Doktorand aus der Forschungsgruppe „Rekodierungsmechanismen in Infektionen“ von Caliskan.
„ZAP greift in die strukturelle Faltung der Coronavirus-RNA ein und unterbindet das Signal, das SARS-CoV-2 aussendet, um die Wirtszellen zur Produktion seiner Replikationsenzyme zu bewegen“, beschreibt HIRI-Doktorandin Anuja Kibe, zweite Erstautorin der Studie, den antiviralen Effekt des Proteins. Und mehr noch: In Zusammenarbeit mit Forschenden am HZI in Braunschweig, das das HIRI gemeinsam mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gegründet hat, konnte das Team nachweisen, dass Wirtszellen mit einem erhöhten ZAP-Spiegel eine etwa 20-fach reduzierte Virusmenge aufweisen. Das gehäufte Auftreten – oder Fehlen – des Proteins könnte somit auch ein Indikator dafür sein, ob eine Corona-Infektion einen leichten oder schweren Verlauf nimmt.
Um die dahinterstehenden molekularen Mechanismen vollständig zu verstehen, bedarf es noch weiterer Forschung. Doch bereits jetzt sind die Studienergebnisse ausgesprochen vielversprechend: „Unsere Erkenntnisse geben Anlass zur Hoffnung, dass ZAP als Vorlage genutzt werden könnte, um mögliche neue antivirale Mittel zu entwickeln“, so Caliskan.