Zu wenig Nachtschlaf erhöht womöglich das Demenzrisiko

09.11.2021 - Deutschland

neurodegenerative Erkrankungen gehen oft mit Schlafstörungen einher. Eine Studie untersuchte, ob es umgekehrt zwischen der nächtlichen Schlafdauer eines Menschen und dem individuellen Demenzrisiko einen Zusammenhang gibt [1]. Ausgewertet wurden Daten von fast 8.000 Teilnehmenden einer Kohortenstudie, von denen im Laufe von 25 Jahren über 500 an einer Demenz erkrankten. Es zeigte sich, dass Personen, die im Alter ab 50 Jahren regelmäßig eine geringe Schlafdauer von weniger als sechs Stunden hatten, ein um 30% erhöhtes Demenzrisiko aufwiesen.

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Symbolbild

Schlafstörungen sind ein charakteristisches Merkmal vieler Krankheiten, insbesondere auch von neurodegenerativen Erkrankungen und Demenzen. Ursächlich vermutet man eine pathophysiologische Fehlregulation im Schlaf-Wach-Rhythmus durch demenzbedingte Veränderungen im Hypothalamus und Hirnstamm. Offen ist, ob umgekehrt zwischen der nächtlichen Schlafdauer eines Menschen und dem Risiko, eine Demenz zu entwickeln, ein Zusammenhang besteht. Die Ergebnisse früherer Studien zu Schlafdauer und Demenzerkrankungen waren widersprüchlich. Viele Studien hatten nur eine Nachbeobachtungszeit von weniger als zehn Jahren und konnten somit diese Fragen nicht sicher beantworten, da sich eine Demenz über einen längeren Zeitraum entwickelt. Nun untersuchte eine neue Studie [1], ob die Schlafdauer von Menschen allgemein mit der Demenz-Inzidenz assoziiert ist.

Von 10.308 Teilnehmenden der Whitehall-II-Studie (London 1985–1988), einer prospektiv-longitudinalen epidemiologischen Kohortenstudie, waren von 7.959 Personen Daten zur Schlafdauer verfügbar. Anhand dieser Daten wurde die Assoziation zwischen Schlafdauer im mittleren Lebensalter (ab 50 Jahren) und der späteren Demenz-Inzidenz untersucht.

521 Teilnehmende (von 7.959) entwickelten über einen Beobachtungszeitraum von 25 Jahren eine Demenz. Das mittlere Alter bei der Diagnosestellung lag bei 77,1 ± 5,6 Jahren (Range 53–87 Jahre). Menschen mit einer normalen nächtlichen Schlafdauer (definiert als durchschnittlich sieben Stunden) hatten die niedrigste Demenz-Inzidenz. Bei Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren war eine kurze Schlafdauer (≤ 6 Stunden) mit einem signifikant höheren Demenzrisiko in allen Altersgruppen assoziiert. Bei Berücksichtigung des Gesundheitsbewusstseins der Teilnehmenden sowie kardiovaskulärer, metabolischer und psychischer Faktoren relativierte sich die Assoziation; es blieb jedoch ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Demenz-Inzidenz und kurzem Nachtschlaf im Alter von 50 (HR 1,22) und 60 Jahren (HR 1,37) bestehen. Gegenüber einer normalen Schlafdauer war eine durchgehend kurze Schlafdauer im Alter von 50, 60 und 70 Jahren auch unabhängig von soziodemografischen Faktoren, dem Gesundheitsbewusstsein sowie kardiometabolischer und psychischer Faktoren mit einem um 30% erhöhten Demenzrisiko assoziiert. Assoziationen zwischen Demenzentwicklung und langen Schlafdauern (˃ 9 Stunden) gab es, anders als in früheren Studien nicht. Allerdings war die Zahl extremer Langschläfer in der Whitehall-II-Kohorte auch sehr gering.

„Schlaf hat eine wichtige Bedeutung für die Ausbildung und Aufrechterhaltung kognitiver Funktionen bzw. die synaptische Plastizität, beispielsweise für Gedächtnis und Lernvorgänge. Die Studie ging somit einer wichtigen und interessanten Fragestellung nach“, kommentiert DGN-Pressesprecher Prof. Hans-Christoph Diener. „Nach den Ergebnissen scheint eine kurze Schlafdauer von weniger als sechs Stunden im mittleren Lebensalter mit einem erhöhten Risiko einer späteren Demenz-Erkrankung assoziiert zu sein.“ Dennoch ließen die Daten keinen Rückschluss auf Kausalzusammenhang zu. „Zwar wurde eine große Kohorte über eine lange Beobachtungszeit analysiert, was relativ robuste Daten hervorbringen kann, dennoch handelt es sich um eine Beobachtungsstudie.“

„Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass die Assoziation von kurzem Nachtschlaf und Demenzrisiko – anders, als oft vermutet wurde, unabhängig war von psychischen Faktoren bzw. Erkrankungen, die ihrerseits mit Schlafstörungen einhergehen, wie beispielsweise Depressionen“, erklärt Prof. Richard Dodel, Essen.

Prof. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär, gibt abschließend zu bedenken: „Ob dann auch der Umkehrschluss gilt, dass längerer bzw. normaler Nachtschlaf eine Demenzentwicklung vorbeugen kann, bleibt natürlich ungeklärt. Dennoch könnte die Botschaft an die Bevölkerung lauten, dass eine gute Schlafhygiene grundsätzlich der Gesundheit zuträglich ist – insbesondere auch der des zentralen Nervensystems.“

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