Auch bei Bakterien gilt offenbar: Gegensätze ziehen sich an

Osnabrücker Ökologen entschlüsseln neue Regel, wie sich Bakteriengemeinschaften finden

04.11.2021 - Deutschland

Dass unterschiedliche Bakterienstämme miteinander interagieren und dabei Stoffe austauschen, ist beispielsweise für die Herstellung von Joghurt oder im Aufrechterhalten unserer gesunden Darmflora essentiell. Wie jedoch suchen sich Bakterien ihre Interaktionspartner aus? Diese Frage hat die Arbeitsgruppe des Ökologen Prof. Dr. Christian Kost an der Universität Osnabrück jetzt am Beispiel von Aminosäuren untersucht, die zwischen zwei Bakterienstämmen ausgetauscht werden. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Kiel wurde die Studie in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht. Die Erkenntnisse tragen wesentlich zu einem besseren Verständnis der Faktoren bei, die die Ausbildung eines Mikrobioms bestimmen.

 © Christoph Kaleta

Das computergestützte Modell von Bakterien-Gemeinschaften.

Kost und sein Team hatten sich natürliche Lebensgemeinschaften von Bakterien näher angesehen. „Wir haben uns auf Interaktionen konzentriert, bei denen ein Bakterienstamm nur überleben kann, wenn er Aminosäuren von einem anderen Stamm zur Verfügung gestellt bekommt. Einen solchen Empfängerstamm nennen wir ‚auxotroph‘. Hierbei wollten wir herausfinden, ob der Bakterienstamm wachsen kann, wenn er mit ganz anderen Bakterienstämmen zusammengesetzt wird, und wenn ja, welche Faktoren die erfolgreiche Ko-Kultur mit einer anderen Art bedingen“, erklärt Prof. Kost das methodische Vorgehen. 

Im Labor ließen sie die auxotrophen Bakterienstämme von zwei verschiedenen Bakterienarten mit 25 anderen Stämmen der gleichen oder einer anderen Bakterienart zusammen wachsen. Mit dem Ergebnis: In mehr als 60% aller Ko-Kulturen konnten die auxotrophen Bakterienstämme wachsen, wenn ein andersartiges Bakterium anwesend war. „Interessanterweise sahen wir: Je unterschiedlicher zwei Bakterienstämme waren, desto wahrscheinlicher wurde es, dass sie erfolgreich eine Stoffaustausch-Interaktion ausbilden konnten“, so Kost. Die Wechselbeziehung könne sich der Beobachtung nach sehr schnell und spontan ausbilden, ohne dass spezielle evolutionäre Anpassungen nötig seien.

Juniorprof. Dr. Silvio Waschina vom Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde und Prof. Dr. Christoph Kaleta vom Institut für Experimentelle Medizin der Universität Kiel überprüften die im Osnabrücker Labor erhobenen Befunde mit einem Computermodell. Hierzu analysierten sie die Bakteriengemeinschaft in einem menschlichen Darm und untersuchten, inwieweit sich anhand der Genome und der sich daraus ergebenden metabolischen Netzwerke die gleichen Muster vorhersagen ließen. „Auch am Computermodell ergab sich das exakt gleiche Muster: Stoffaustauch-Interaktionen waren deutlich wahrscheinlicher, wenn unterschiedliche Partner miteinander interagierten, als wenn beide Bakterien der gleichen Art angehörten“, so Prof. Kaleta von der Universität Kiel.

Die Erkenntnisse hätten eine hohe biotechnologische Relevanz, resümiert Prof. Kost: „Mit der Arbeit haben wir ein neues Prinzip beschrieben, mit dem sich die Ausbildung von Bakteriengemeinschaften aufgrund bestimmter Interaktionen erklären lässt. Dieses Prinzip ist beispielsweise von biotechnologischer Bedeutung, wenn etwa verschiedene Stämme miteinander kultiviert werden sollen, um bestimmte Stoffe herzustellen. Durch unsere Erkenntnisse können so stabilere und effizientere künstliche bakterielle Gemeinschaften designt werden.“

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