Zellbasierter Fisch aus dem Bioreaktor

Alternative zum Fischfang

06.08.2021 - Deutschland

Bereits jetzt gelten etwa 90 Prozent aller Fischbestände als maximal befischt oder überfischt. Doch da die Weltbevölkerung weiter wächst, sind immer mehr Menschen auf Fisch als Eiweißquelle angewiesen. Die Bluu GmbH - eine Ausgründung aus der Fraunhofer-Einrichtung für Marine und Zelluläre Biotechnologie EMB - hat eine Lösung für dieses Problem. Das Unternehmen hat sich auf die Produktion von zellbasiertem Fisch spezialisiert, der aus echten Fischzellen hergestellt und in einem Bioreaktor gezüchtet wird. Im Gegensatz zu wild gefangenem Fisch geht dies nicht auf Kosten des Tierschutzes.

Gregor Moser on Unsplash

Symbolisches Bild

Bluu Biosciences ist das erste Unternehmen in Europa, das sich auf die Entwicklung und Produktion von zellbasiertem Fisch spezialisiert hat. Weltweit gibt es derzeit nur eine Handvoll Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Bluu Biosciences schließt damit eine Marktlücke: Nahezu überall werden heute mehr Fische gefangen, als sich natürlich regenerieren können. Dies bedroht die Grundversorgung von Hunderten von Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln. Zellbasierter Fisch, hergestellt mit Hilfe moderner Biotechnologie, kann entscheidend dazu beitragen, die weltweite Versorgung mit tierischem Eiweiß in Zukunft zu sichern.

"Wir sehen hier einen schnell wachsenden Markt. Die Zukunft gehört Produkten, die in einer Kreislaufwirtschaft hergestellt werden", sagt Dr. Sebastian Rakers, Gründer und Geschäftsführer der Bluu GmbH. Im Mai 2020 hat er das Unternehmen gemeinsam mit Simon Fabich gegründet. Ihr Ziel ist es, die Produkte in einem ersten Schritt über die Gastronomie auf den Markt zu bringen. Später sollen die Produkte auch an Supermärkte geliefert werden. Als realistischen Termin für die Markteinführung nennt Rakers Ende 2023. Das Portfolio wird zunächst Hybridprodukte wie Fischbällchen, Fischstäbchen und Fischtartar umfassen, die aus einer Mischung von Zellbestandteilen und pflanzlichen Proteinen bestehen. Fischfilet wird erst zu einem späteren Zeitpunkt marktreif sein, da noch weitere Forschung notwendig ist. Die Herausforderung besteht darin, ein poröses strukturelles Gerüst zu entwickeln, durch das ausreichend Nährstoffe und Sauerstoff zu den Zellen gelangen können. "Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Zellen auf dem Gerüst wachsen und sich so bilden, wie sie es im natürlichen Fischgewebe tun würden", erklärt der Meeresbiologe, der seit zwölf Jahren an der Fraunhofer EMB mit Fischzellen forscht.

Zelllinien aus adulten Stammzellen

Dr. Rakers und sein Team isolieren die Zellen aus einer Biopsie, die aus einem Stück adulten Fischgewebes stammt. Die isolierten Zellen, ähnlich wie Vorläuferzellen oder adulte Stammzellen, werden dann im Labor in einer In-vitro-Kultur vermehrt. Da sie nicht altern, können sie sich unendlich oft teilen. Im Bioreaktor werden die Zellen dann mit einem Nährmedium gefüttert. Der Reaktor umfasst derzeit maximal fünf Liter. Um ein marktfähiges Produkt zu erhalten, wird jedoch ein größerer Reaktor benötigt. "So weit sind wir noch nicht, denn wir müssen erst die Prozessschritte verfeinern, die die Zellen zum Wachsen brauchen. Unsere derzeitige Herausforderung besteht darin, den Schritt zur industriellen Produktion zu machen".

Frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften

Die Vorteile der zellbasierten Fischproduktion sind zahlreich. "Es müssen keine Fische geschlachtet werden, und im Idealfall ist nur einmal eine Biopsie erforderlich", nennt der Forscher als Beispiele für die vielen Vorteile. Dreißig Prozent aller Fischbestände sind überfischt, sechzig Prozent werden maximal ausgebeutet. Die nicht landgestützte Aquakultur hingegen, die vor allem im letzten Jahrzehnt stark zugenommen hat und mit der Massentierhaltung in Verbindung gebracht wird, führt zu einer Verschmutzung der Meere und einer Eutrophierung der Gewässer, vor allem in Gebieten mit geringer Strömung. Weitere Vorteile von Zuchtfisch sind sein hoher Nährwert sowie seine Verfügbarkeit und die damit verbundenen kurzen Lieferketten. Fischprodukte, die aus Fischzellen hergestellt werden, sind frei von Gentechnik, Antibiotika und Umweltgiften. Sie können dezentral und nach Bedarf produziert werden. Im Gegensatz zur Aquakultur kann eine zellbasierte Fabrik überall auf der Welt errichtet werden.

Produktion frei von fötalem Kälberserum

Derzeit konzentrieren sich die Forscher auf die Optimierung des Mediums, um sicherzustellen, dass die Fischzellen kostengünstig produziert werden, und um Zelleigenschaften wie Geschmack und Textur zu verfeinern. Dies geschieht zum Beispiel durch die Erhöhung des Anteils an Omega-3-Fettsäuren als wichtiger Geschmacksträger. Die dafür notwendige Technologie wurde von der Fraunhofer EMB auslizenziert. Darüber hinaus arbeiten die Forscher daran, fetales Kälberserum (FCS) durch andere, pflanzliche Wachstumsfaktoren zu ersetzen und eine FCS-freie Produktion zu erreichen. "FCS wird aus dem Blut von Rinderföten gewonnen und ist ein Hauptbestandteil vieler Wachstumsmedien, die für das Wachstum und die Kultivierung von Zellen in Zellkulturen benötigt werden", erklärt Rakers. "Unser erster Prototyp wird komplett FCS-frei sein." Die Bluu GmbH arbeitet in ihrer Forschungsarbeit weiterhin eng mit der Fraunhofer EMB zusammen.

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