Lebenswichtiges Metall – wie wird Molybdän biologisch nutzbar?
Mechanismus der Molybdän-Insertase aufgeklärt
Tobias Kruse/Hintergrund istock.com/davidf
Der Molybdäncofaktor setzt sich – vereinfacht gesagt – aus einer organischen und einer anorganischen Komponente, dem Molybdän, zusammen. Während die Biosynthese der organischen Komponente gut verstanden ist, war es lange Zeit unklar, wie das Molybdän in die organische Komponente „eingebaut“ wird.
Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Team von Dr. Tobias Kruse an der TU Braunschweig ein Arbeitsmodell erstellt, dem eine bestimmte Patientenmutation in der Molybdän-Insertase zugrundeliegt. Die Molybdän-Insertase ist dann defekt. Das Metall Molybdän kann also nicht mehr in Form des Molybdäncofaktors für den Körper nutzbar gemacht werden. Betroffene Patientinnen und Patienten entwickeln im Mittel innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt epilepsie-ähnliche Anfälle. Es kommt im Folgenden zum massiven Absterben von Nervenzellen, was letztlich dazu führt, dass Betroffene im Mittel im Alter von drei Jahren versterben. Diese Krankheit wird als Molybdäncofaktor-Defizienz bezeichnet und ist bislang nur schlecht behandelbar.
Der „Nachbau“ der Mutation in der defekten Molybdän-Insertase des Patienten war dann für Dr. Tobias Kruse und seine Kolleginnen und Kollegen die Basis für die folgenden Forschungsarbeiten. In Kooperation mit Professor Douglas C. Rees am California Institute of Technology (USA) wurde die Proteinstruktur der Molybdän-Insertase aufgeklärt, wodurch ein neuer, bis jetzt unbekannter Schritt im Biosyntheseweg des Molybdäncofaktors entdeckt wurde. In Kooperation mit Professor Martin L. Kirk (Department of Chemistry and Chemical Biology, The University of New Mexico, Albuquerque, USA), gelang es dann den Mechanismus der Molybdän-Insertion, also den Prozess, wie Molybdän in die organische Komponente des Molybdäncofaktors eingebaut wird, aufzuklären.
Vor rund 20 Jahren wurde der Mechanismus der Molybdän-Insertion bereits beschrieben, allerdings für die Synthese von künstlichen Molybdän-Modellverbindungen, die die lebenswichtige Funktion des Molybdäncofaktors „im Reagenzglas“ nachbilden können. Die Forschenden konnten jetzt erstmals zeigen, dass der letzte Schritt der Molybdäncofaktor-Biosynthese in der Zelle dem gleichen Schema wie die Synthese von Molybdän-Modellverbindungen im Chemie-Labor folgt. Inzwischen ist bekannt, dass dieser Mechanismus nicht nur der humanen, sondern auch der pflanzlichen und pilzlichen Molybdän-Insertion zugrunde liegt. Dies weist darauf hin, dass dieser Prozess schon sehr früh in der Evolution der Lebewesen entstanden ist.
Der wichtigste Aspekt dieser Arbeit ist aber zweifelsohne von einem der Fachgutachter der nun veröffentlichen Arbeit in „Nature Chemistry“ benannt worden: Mit dem Wissen um die mechanistischen Details, wie Molybdän in der Zelle funktionalisiert – also biologisch nutzbar gemacht – wird, sind nun die Grundlagen dafür geschaffen, die fehlende Molybdän-Insertase-Aktivität bei betroffenen Patientinnen und Patienten auszugleichen. Geeignete Modellverbindungen wurden und werden bereits in der Gruppe von Prof. Carola Schulzke (Universität Greifswald) entwickelt und synthetisiert und sollen an der TU Braunschweig näher auf eine Anwendbarkeit für eine Therapie der Molybdäncofaktor-Defizienz charakterisiert werden.