Bauchspeicheldrüsen-Organoide auf neu entwickelter Chip-Plattform
Helmholtz Zentrum München / Matthias Meier
Das duktale Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse (PDAC) ist eine äußerst aggressive Krebserkrankung, die häufig erst zu spät diagnostiziert wird und nur schlecht behandelt werden kann. PDAC macht mehr als 90 Prozent der Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs aus. Die Wahrscheinlichkeit, länger als fünf Jahre mit der Erkrankung zu leben, liegt bei nur acht Prozent. Zu den Risikofaktoren von PDAC zählen Alter, Diabetes, Adipositas, aber auch Lebensgewohnheiten wie Rauchen und Alkoholkonsum. Da einige dieser Faktoren weltweit zunehmen, gehen Studien davon aus, dass sich die Inzidenz von PDAC und damit verbundene Todesfälle in den nächsten zehn Jahren verdoppeln.
Die Frühdiagnose ist deshalb von zentraler klinischer Bedeutung. Je früher man PDAC erkennt, desto höher sind die Chancen, die Krankheit aufzuhalten bzw. zu verlangsamen. Dafür benötigen Kliniken zum einen passendes Gewebematerial und zum anderen bessere Diagnosewerkzeuge. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Biomedical Engineering stellt ein Forschungsteam um Matthias Meier (Helmholtz Pioneer Campus am Helmholtz Zentrum München und TUM), Meike Hohwieler und Alexander Kleger (Universitätsklinikum Ulm) eine neue und bisher einzigartige Organoid-on-Chip-Plattform vor, die den dringend benötigten Einblick in die frühe Entwicklungsphase der Bauchspeicheldrüse ermöglicht.
Bauchspeicheldrüsen-Chip
Ein besseres Verständnis darüber, welche Mechanismen bei der Entstehung der Bauchspeicheldrüse und bei einer Krebserkrankung beteiligt sind, ist entscheidend für die Identifizierung zuverlässiger Biomarker als neue Diagnosewerkzeuge. Wissenschaftler:innen brauchen für diese Arbeit zuverlässige in-vitro-Modelle der menschlichen Bauchspeicheldrüse. Beim neuen Ansatz der Forschungsgruppe ist dafür kein Gewebe von gesunden oder erkrankten Personen mehr notwendig.
„Wir haben es geschafft, die Entwicklung der menschlichen Bauchspeicheldrüse auf einer Chip-Plattform nachzuahmen. Dafür haben wir humane pluripotente Stammzellen zu duktalen Bauchspeicheldrüsenzellen umprogrammiert. Unsere Plattform ist ein robustes Werkzeug, um die Organentwicklung nachzuvollziehen – das haben auch zeitaufgelöste transkriptomische Einzelzellanalysen bestätigt“, sagt Matthias Meier, einer der Studienleiter.
Um wichtige 3D-Merkmale des Organoids wie Form und Größe besser kontrollieren zu können, entwickelte das Team einen neuen sogenannten Microwell-Chip. Das neue Design verbesserte auch die Reproduzierbarkeit des Ansatzes. Mithilfe funktioneller Analysen der sich entwickelnden Organoide, konnte die Gruppe die Zellen so programmieren, dass sie duktalen Bauchspeicheldrüsenzellen gleichen. Schließlich entwickelten sie ein ausgereiftes Organoid mit wichtigen physiologischen Schlüsselmerkmalen einer Bauchspeicheldrüse, inklusive der Sekretion von extrazellulären Matrix-Komponenten und der interzellulären Kommunikation. „Die Nachbildung von gesunden duktalen Bauchspeicheldrüsenzellen ist entscheidend für jegliche weiteren Analysen und Schlussfolgerungen“, sagt der zweite Studienleiter Alexander Kleger.
Neue Biomarker
Die Forschungsgruppe nutzte den neuen Chip und die Organoide bereits, um in einer Pilotstudie neue Biomarker für PDAC im Frühstadium zu identifizieren. Dabei stieß das Team auf das Protein Filamin b, das mit der Entstehung mehrerer Krebsarten in Verbindung steht. Mithilfe einer kleinen Kohorte von PDAC-Patient:innen konnte die Gruppe Filamin b als vielversprechenden, in Flüssigbiopsien nachweisbaren, Biomarker für die Früherkennung von Bauchspeicheldrüsenkrebs bestätigten. Zusätzlich könnte der Biomarker für die Prognose des Krankheitsverlaufs hilfreich sein.
„Dass wir mit unserer Technologie nun einen neuen Früherkennungs- und potentiell prognostischen Biomarker für Bauchspeicheldrüsenkrebs ausfindig machen konnten, ist ein toller Erfolg. Damit könnten wir den Krebs künftig möglicherweise bereits in einem frühen Stadium diagnostizieren. Außerdem könnte die Technologie uns bei der Entwicklung neuer Therapien helfen, die in einem Frühstadium der Erkrankung oder sogar präventiv eingesetzt werden könnten“, erklärt Sandra Wiedenmann, Erstautorin der Studie.