Wie Umwelteinflüsse das Gehirn jung halten könnten
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Die menschliche DNA – und das gilt ebenso für Mäuse – enthält Tausende von Genen. Entscheidend für die Funktion einer Zelle und dafür, ob sie gesund ist oder nicht, ist allerdings nicht nur der genetische Bauplan, sondern vor allem, welche Gene überhaupt an- beziehungsweise ausgeschaltet werden können. Altern, Lebensumstände und Verhalten beeinflussen bekanntermaßen diese Fähigkeit zur Genaktivierung. Das Phänomen – „Epigenetik“ genannt – stand im Fokus der aktuellen Studie. Forschende um Dr. Sara Zocher und Prof. Gerd Kempermann untersuchten dazu Mäuse, die in unterschiedlichen Umgebungen aufgewachsen waren. Eine Tiergruppe erlebte von Jugend an eine „reizreiche“ Umwelt mit Spielsachen und Tunnelröhren. Den Mäusen einer zweiten Gruppe standen derlei Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung.
Anhänge der DNA
Bei Untersuchungen des Erbguts stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest: Bei jenen Mäusen, die in der reizvollen Umgebung aufwuchsen, änderten sich bestimmte chemische Markierungen der DNA nur relativ wenig mit dem Alter. Bei Mäusen aus der reizarmen Umgebung waren diese Veränderungen – im Vergleich zwischen jungen und älteren Tieren – viel deutlicher ausgeprägt. „Wir haben sogenannte Methyl-Gruppen erfasst, die sozusagen an der DNA kleben“, erläutert Gerd Kempermann, Sprecher des DZNE-Standorts Dresden, DZNE-Forschungsgruppenleiter und zugleich Wissenschaftler am CRTD. „Diese chemischen Anhänge verändern nicht die Erbinformation selbst. Vielmehr beeinflussen sie, ob einzelne Gene aktiviert werden können oder nicht.“
Plastische Gehirne
Solche „epigenetischen Markierungen“ nehmen mit dem Alter tendenziell ab, doch bei den Tieren mit reizreichen Lebensumständen war der Rückgang an Methyl-Gruppen vergleichsweise gering. Bei alten Mäusen aus einer abwechslungsreichen Umwelt war die Genaktivität also gewissermaßen jung geblieben. Das betraf insbesondere eine Reihe von Genen, die für die Neubildung von Nervenzellen und zellulären Verbindungen im Hippocampus von Bedeutung sind. „Diese Tiere behielten epigenetisch gesehen einen jüngeren Hippocampus“, so Kempermann. Die Gehirne dieser Mäuse waren daher formbarer – Fachleute sprechen von größerer „Neuroplastizität“ –, als bei gleichaltrigen Artgenossen, die sich in einer reizarmen Umwelt entwickelt hatten.
Im Zuge der aktuellen Studie wurden keine Verhaltensexperimente durchgeführt. Aus vielen anderen Untersuchungen wisse man jedoch, dass Mäuse, die in einer reizreichen Umwelt aufgewachsen sind, bei Gedächtnistests besser abschneiden als solche aus reizarmer Umgebung, so Kempermann. „Die Vermutung liegt nahe, dass diese geistige Fitness auf die Stabilisierung der Methylierungsmuster zurückgeht, die wir nun festgestellt haben“, sagt der Neurowissenschaftler. „Die Frage ist natürlich, inwiefern unsere Beobachtungen auch auf Menschen zutreffen. Hier ist die Situation wahrscheinlich komplizierter. Es geht ja darum, wie Lebensumstände das Verhalten beeinflussen und die Reaktion eines Menschen auf äußere Reize ist weitaus komplexer als bei Mäusen. Wir haben aber gute Gründe anzunehmen, dass die epigenetischen Grundprinzipien beim Menschen die gleichen sind wie bei Mäusen.“