Schnelle IR-Imaging basierte KI erkennt Tumortyp bei Lungenkrebs
Infrarotspektroskopie kann automatisiert verschiedene Lungenkrebstypen und -genmutationen unterscheiden
© RUB, Marquard
Therapieentscheidung durch Genmutationsanalyse
Lungentumoren werden in zahlreiche Typen wie das kleinzellige Lungenkarzinom, das Adenokarzinom und das Plattenepithelkarzinom unterteilt. Zusätzlich existieren viele seltene Tumortypen und -subtypen. Diese Vielfalt erschwert eine zuverlässige Schnelldiagnostik im klinischen Alltag. Zusätzlich zur histologischen Typisierung müssen die Tumorproben umfassend auf bestimmte Veränderungen auf Ebene der DNA untersucht werden. "Der Nachweis einer dieser Mutationen ist eine wichtige Schlüsselinformation, welche sowohl die Prognose als auch die weiteren therapeutischen Entscheidungen beeinflusst", so Mitautor Prof. Dr. Reinhard Büttner, Leiter des Instituts für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie des Universitätsklinikums Köln.
Von Lungenkrebs Betroffene profitieren eindeutig von einer vorherigen Charakterisierung der Treibermutationen: So sprechen beispielweise Tumoren mit aktivierenden Mutationen im EGFR-Gen (epidermal growth factor) oft gut auf eine Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren an, während nicht EGFR-mutierte Tumoren oder Tumore mit weiteren Mutationen wie KRAS überhaupt nicht auf diese Medikation ansprechen. Bisher erfolgt die differentielle Diagnose von Lungenkrebs durch immunhistochemische Färbungen von Gewebeproben und anschließender aufwändiger Genanalyse zur Mutationsbestimmung.
Schnelle und zuverlässige Messtechnik
Das Potenzial des Infrarot-Imaging, kurz IR-Imaging, als diagnostisches Werkzeug zur Klassifizierung von Gewebe, die sogenannte Label-freie digitale Pathologie, hat die Gruppe um Klaus Gerwert schon in früheren Studien gezeigt. Das Verfahren erkennt Krebsgewebe ohne vorherige Färbung oder andere Markierung und funktioniert automatisiert mithilfe von künstlicher Intelligenz. Im Gegensatz zu den im klinischen Alltag eingesetzten Methoden zur Bestimmung von Tumorform und von Mutationen in Tumorgewebe, die jeweils mehrere Tage dauern können, benötigt das neue Verfahren dafür nur etwa eine halbe Stunde. In diesen 30 Minuten kann nicht nur festgestellt werden, ob die Gewebeprobe Tumorzellen enthält, sondern auch, um welchen Typ es sich handelt und ob dieser eine bestimmte Mutation enthält.
Infrarotspektroskopie macht Genmutationen sichtbar
Die Bochumer Forschenden konnten mit ihrer Arbeit das Verfahren an Proben von über 200 Lungenkrebspatientinnen und -patienten verifizieren. Für die Mutationserkennung konzentrierten sie sich auf den mit Abstand häufigsten Tumor der Lunge, das Adenokarzinom, das über 50 Prozent der Tumore ausmacht. Dessen häufigste Genmutationen können mit einer Sensitivität und Spezifität von 95 Prozent im Vergleich zur aufwändigen Genanalyse bestimmt werden. "Wir konnten hier erstmals spektrale Marker identifizieren, die eine ortsaufgelöste Unterscheidung verschiedener molekularer Zustände in Lungentumoren ermöglichen", erklärt Nina Goertzen von PRODI. Eine einzige infrarotspekroskopische Messung bringt Informationen über die Probe, für die sonst mehrere zeitaufwändige Verfahren erforderlich wären.
Ein weiterer Schritt in Richtung personalisierte Medizin
Die Ergebnisse bestätigen erneut das Potenzial der Label-freien digitalen Pathologie für den klinischen Einsatz. "Um die Zuverlässigkeit weiter zu erhöhen und eine Translation der Methode als neues diagnostisches Werkzeug weiter zu fördern, sind Studien mit größeren an die klinischen Bedürfnisse angepassten Patientenzahlen und eine externe Testung im klinischen Alltag nötig", so Dr. Frederik Großerüschkamp, Projektleiter IR-Imaging. "Die Verkürzung der Messzeit, eine einfache und zuverlässige Bedienung der Messgeräte und die Beantwortung von klinisch und für den Patienten wichtigen und hilfreichen Fragen ist für die Translation des IR-Imagings in den klinischen Alltag ausschlaggebend."
Originalveröffentlichung
Nina Goertzen, Roberto Pappesch, Jana Fassunke, Thomas Brüning, Yon-Dschun Ko, Joachim Schmidt, Frederik Großerüschkamp, Reinhard Büttner, Klaus Gerwert: "Quantum cascade laser-based infrared imaging as a label-free and automated approach to determine mutations in lung adenocarcinoma."; The American Journal of Pathology, 2021.
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