Vom harmlosen Hautbakterium zum gefürchteten Infektionserreger
Zusätzlicher Baustein in der Zellwand verleiht Staphylokokken gefährliche Eigenschaften
Ein internationales Forschungsteam hat nun entdeckt, was die friedlichen Mitbewohner unter den S. epidermidis-Bakterien von vielen der gefährlichen Invasoren unterscheidet. Bei vielen der Letzteren identifizierten die Wissenschaftler ein neues Gencluster, das den Bakterien zu zusätzlichen Strukturen der Zellwand verhilft. Damit können sich die Staphylokokken leichter an menschliche Wirtszellen in der Blutbahn anheften; sie werden dadurch zu Krankheitserregern. Möglicherweise kann über diese Zellwandstrukturen auch die Methicillinresistenz verbreitet und beispielsweise von Staphylococcus epidermidis auf die noch gefährlichere Schwesterart Staphylococcus aureus übertragen werden.
Die Studie wurde unter der Leitung von Forschern des Exzellenzclusters „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI) der Universität Tübingen und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in Zusammenarbeit mit Universitäten in Kopenhagen, Hamburg, Shanghai und Hannover und des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) in Borstel durchgeführt und im Fachmagazin Nature Microbiology veröffentlicht.
Die Struktur macht den Unterschied
Die Zellwand der Staphylokokken – wie auch anderer grampositiver Bakterien – besteht zu einem erheblichen Anteil aus Teichonsäuren. Sie ragen kettenartig nach außen und sind in artspezifischen Varianten mit unterschiedlicher chemischer Struktur bekannt. „Bei unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass viele krankheitserregende Stämme von S. epidermidis ein zusätzliches Gencluster besitzen, das die Informationen zur Herstellung der eigentlich für S. aureus typischen Wandteichonsäuren enthält“, berichtet die Forscherin Xin Du vom Exzellenzcluster CMFI und vom DZIF. Experimente hätten ergeben, dass S. epidermidis-Bakterien mit der arttypischen Wandteichonsäure allein wenig invasiv sind und Haut- und Schleimhautoberflächen besiedeln. Komme die für S. aureus typische Wandteichonsäure hinzu, könnten sie dort weniger gut wachsen und drängen stattdessen erfolgreicher in die Gewebe ihres menschlichen Wirts ein. „Irgendwann haben einige S. epidermidis-Klone die entsprechenden Gene von S. aureus übernommen und sind so zu bedrohlichen Krankheitserregern geworden“, sagt Professor Andreas Peschel vom Exzellenzcluster CMFI und dem DZIF.
Seit langem ist bekannt, dass Bakterien Eigenschaften untereinander per Gentransfer übertragen können. Den Transfer übernehmen Bakteriophagen, das sind Viren, die Bakterien befallen. Dies geschieht meist innerhalb einer Art und setzt gleiche Oberflächenstrukturen voraus, an die die Bakteriophagen binden müssen. „Zwischen S. epidermidis und S. aureus verhindern die unterschiedlichen Zellwandstrukturen normalerweise den Gentransfer. Doch bei den S. epidermidis-Stämmen, die auch die Wandteichonsäuren von S. aureus herstellen können, ist so ein Genaustausch plötzlich möglich“, sagt Peschel. So ließe sich erklären, wie S. epidermidis eine Resistenz gegen Methicillin auf den noch bedrohlicheren – dann Methicillin-resistenten – S. aureus übertragen konnte. Das müsse jedoch noch genauer untersucht werden. Die neuen Ergebnisse seien ein wichtiger Schritt, um bessere Therapien oder Impfungen gegen gefährliche Krankheitserreger wie den seit rund 15 Jahren bekannten S. epidermidis ST 23 entwickeln zu können, der zur Gruppe der HA-MRSE gehört (healthcare-associated methicillin-resistant S. epidermidis).