Kristalline Superspiegel zur Spurengasdetektion in Medizin und Umweltwissenschaften
Analyse von besonders komplexen Gasgemischen mit noch nie dagewesener Genauigkeit
© 2018 Georg Winkler, Universität Wien
Im Jahr 2016 gelang Forschern am LIGO-Laserinterferometer der erste Nachweis von Gravitationswellen, wie sie bereits 1916 von Albert Einstein vorhergesagt wurden. Einen wesentlichen Beitrag zur Beobachtung dieser wellenartigen Ausbreitung von Störungen in der Raumzeit, die ein Jahr darauf mit dem Nobelpreis belohnt wurde, lieferten dabei die Laserspiegel des kilometerlangen Interferometer-Aufbaus. Die Optimierung der Spiegel auf extrem niedrige Absorptionsverluste war ein wesentlicher Schritt zur Realisierung der für derartige Messungen notwendigen Empfindlichkeit. "Verlustarme Spiegel sind einen Schlüsseltechnologie für viele verschiedene Forschungsfelder", erklärt Oliver H. Heckl, Leiter des Christian Doppler Labors für Mid-IR Spektroskopie und Halbleiteroptik, "sie sind das Bindeglied für so verschiedene Forschungsfelder wie Krebsdiagnose und Gravitationswellendetektion."
In der Tat verspricht man sich durch vergleichbare Spiegeleigenschaften auch technologische Durchbrüche für deutlich praxisnähere Anwendungen. Dazu zählt unter anderem die empfindliche Molekülspektroskopie, also der Nachweis kleinster Stoffmengen in Gasgemischen – ein Forschungsschwerpunkt des Christian Doppler Labors (CDL). Mögliche Beispiele finden sich in der Krebsfrüherkennung durch Detektion geringster Konzentrationen von Markermolekülen im Atem von Patienten, oder im präzisen Aufspüren von Methan-Lecks in großflächigen Erdgasförderanlagen, um den Beitrag derartiger Treibhausgase zum Klimawandel einzudämmen.
Anders als die Experimente am LIGO, finden solche Untersuchungen allerdings noch viel weiter außerhalb des sichtbaren Lichtspektrums, im mittleren Infrarotbereich, statt. In diesem, auch als "Fingerprint Region" bekannten, Wellenlängenbereich sind viele strukturell ähnliche Moleküle nämlich auf Grund ihrer charakteristischen Absorptionslinien eindeutig unterscheidbar. Deshalb ist es ein langgehegter Wunsch der Wissenschaft, ähnlich verlustarme Spiegel auch in diesem technisch anspruchsvollen Wellenlängenbereich zu realisieren.
Genau das ist dem Team um Oliver H. Heckl nun in einer internationalen Kooperation gelungen. Verlustarm bedeutet in diesem Fall, dass die neuartigen Spiegel weniger als 10 aus einer Million Photonen absorbieren. Zum Vergleich: Ein handelsüblicher Badezimmerspiegel "vernichtet" etwa zehntausend mal mehr Photonen, und selbst die bisher in der Spitzenforschung verwendeten Spiegel weisen zehn bis hundertfach höhere Verluste auf.
Diese drastische Verbesserung war durch den Einsatz einer völlig neuen Technologie möglich: Dabei werden in einem Epitaxieprozess zunächst Stapel aus hochreinen Halbleitermaterialen gewachsen. In Folge werden die monokristallinen Schichten durch ein proprietäres Kontaktierungsverfahren auf gekrümmte Siliziumsubstrate transferiert um die Spiegel fertigzustellen die sowohl im CDL als auch am NIST getestet wurden. Die einzigartige Fertigungstechnik wurde vom Industriepartner des Christian Doppler Labors, Thorlabs Crystalline Solutions, entwickelt. Dieses Unternehmen wurde von Garrett Cole und Markus Aspelmeyer ursprünglich unter dem Namen Crystalline Mirror Solutions (CMS) als Spin-Off der Universität Wien gegründet. Ermöglicht wurde diese Industriekooperation, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, durch das international einzigartige Modell der Christian Doppler Gesellschaft (CDG) zur Förderung von anwendungsorientierter Grundlagenforschung. Maßgeblich beteiligt an diesem Erfolg war auch eine Forschungsgruppe des für Präzisionsmessungen renommierten National Institute for Standards and Technology (NIST) in Gaithersburg, Maryland (USA). Auch Georg Winkler, Mitautor der aktuellen Studie zeigt sich begeistert: "Präzise Messtechnik ist viel mehr als nur Pedanterie. Wo immer man um eine Größenordnung genauer hinsehen kann, entdeckt man meist völlig neue Phänomene, man denke nur an die Erfindung von Mikroskop und Teleskop!"
Tatsächlich hat sich diese Einschätzung bereits bei der detaillierten Charakterisierung der neuen Spiegel bewahrheitet, als quasi nebenbei ein bislang unbekannter Effekt polarisationsabhängiger Absorption in den Halbleiterschichten entdeckt, und durch Prof. Hartwin Peelaers an der Universität Kansas weiter theoretisch untersucht wurde. "Diese Ergebnisse geben uns tolle Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Spiegel" freut sich auch Mitautor Lukas Perner, "durch die extrem niedrigen Verluste können wir jetzt die Bandbreite und Reflektivität weiter optimieren."
In diesem Sinne arbeiten die beteiligten Projektpartner nun bereits an einer weiteren Verbesserung der Technologie: Die Erweiterung der optischen Bandbreite der Spiegel erlaubt etwa, diese effizient mit sogenannten optischen Frequenzkämmen zu verwenden. Dadurch wird die Analyse von besonders komplexen Gasgemischen mit noch nie dagewesener Genauigkeit möglich.
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