Spannung um Europas Erfinderkrone
Vier Deutsche Erfinder als Finalisten für Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert
EPO
In der Kategorie „Industrie“ sind Christoph Gürtler und Walter Leitner, ein deutsches Forscherteam, für die Entwicklung eines neuen Verfahrens nominiert, das CO2-Abfälle in eine wiederverwertbare Ressource umwandelt und so den Weg zur Kreislaufwirtschaft beschleunigt.
In der prestigeträchtigen Kategorie „Lebenswerk“ sind gleich zwei deutsche Ausnahmeforscher für den Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert: Metin Colpan, deutscher Biotechnologie-Pionier und Mitbegründer der Firma Qiagen, hat ein Verfahren zur schnellen und effizienten Analyse des genetischen Codes entwickelt.Seine bahnbrechende Methode der Proteinreinigung veränderte die Erforschung von DNA und RNA, mit Auswirkungen auf Anwendungen in der Gensequenzierung, Medikamentenentwicklung, Forensik, Lebensmittelsicherheit und Diagnostik bis hin zu Testkits für Covid-19.
Karl Leo – Physiker, Ingenieur, Professor und Unternehmer – veränderte mit seinen Erfindungen auf dem Gebiet der organischen Halbleiter die Elektronikindustrie grundlegend und ebnete den Weg für neue Solartechnologien. Seine OLED-Technologie kommt in der Hälfte aller Smartphones weltweit und in vielen Arten von Solarzellen zum Einsatz.
„Das vergangene Jahr hat mehr denn je gezeigt, wie wichtig Erfinderinnen und Erfinder für den technischen Fortschritt und die Verbesserung unseres Lebens sind,“ sagte EPA-Präsident António Campinos. „Die diesjährigen Finalisten des Europäischen Erfinderpreises sind eindrückliche Beispiele für den Einfallsreichtum und die Kreativität, die den technischen Fortschritt unterstützen und den Weg für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand ebnen.“
Mit Kohlendioxidabfällen zu grünerem Kunststoff
Sechs Prozent des weltweit produzierten Rohöls wird zur Herstellung von Kunststoffen verwendet, weshalb die Suche nach alternativen Kohlenstoffquellen sowohl für die Kunststoffindustrie als auch die Umwelt hohe Priorität hat. Einen wichtigen Beitrag zur Wiederverwertung von CO2 und somit zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft leistete das Forscherduo Christoph Gürtler, Leiter der Katalyse-Forschung bei Covestro, und Walter Leitner, Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion und Professor für Technische Chemie an der RWTH Aachen.
Gürtler und Leitner entwickelten ein nachhaltiges und zugleich wirtschaftliches Verfahren, das Kohlendioxidabfälle zur Herstellung von Kunststoffprodukten auf Polyurethanbasis nutzt. Dies ermöglicht eine bis zu 20-prozentige Reduzierung der Menge an fossilen Rohstoffen, die zur Herstellung eines Polyurethan-Vorprodukts benötigt werden, und macht zugleich die Nutzung von CO2-Abfällen aus anderen Industrien möglich. Mit der Erfindung wird aus einem Abfallstoff ein Rohstoff für Kleidung, Bodenbeläge, Waschmittel und andere Alltagsprodukte.
Bessere und schnellere Genomik-Werkzeuge erfunden
Der in Istanbul geborene Biotechnologie-Pionier Metin Colpan entwickelte im Rahmen seiner Promotion an der Technischen Hochschule Darmstadt eine schnellere und effektivere Technik zur Extraktion der Nukleinsäuren DNA und RNA, die es Forschern ermöglicht, genetisches Material weitaus detaillierter zu untersuchen als zuvor. Sein Beitrag auf dem Gebiet der Genomik öffnete die Türen zu neuen Wissenschaftsfeldern, indem er die Art und Weise veränderte, wie Wissenschaftler genetische Daten analysieren. Colpans Lösung und die von ihm entwickelten Produkte legten damit den Grundstein für bahnbrechende Entwicklungen in der Genomik, wie Gentests und Gensequenzierung, die beide bei der Erkennung und Behandlung komplexer Krankheiten wie Krebs oder Herzerkrankungen genutzt werden können.
Doch Colpans 40-jährige Karriere zeichnet sich auch durch einen ausgeprägten Unternehmergeist aus. Er ist Mitbegründer von Qiagen – das heute weltweit über 5 300 Mitarbeiter beschäftigt – und als europäische Biotechnologie-Erfolgsgeschichte auch das erste deutsche Unternehmen ist, das mit einer NASDAQ-Notierung in den USA an die Börse ging. Zuletzt hat das Unternehmen in der Covid-19-Pandemie dazu beigetragen, kritische Engpässe bei Covid-19-Nachweisprodukten (Tests für Antigene, Antikörper und T-Zellen) zu beseitigen.
Organische Halbleiter zum Leuchten gebracht
Die Arbeit des Physikers Leo wurde stets von seiner Leidenschaft für die Forschung und der angeborenen Neugierde geprägt. Leo gilt als „Organikelektronik-Papst“ und leistete einen herausragenden Beitrag zur Weiterentwicklung von organischen Halbleitern, indem er ihre Leitfähigkeit mithilfe der sogenannten Dotierung verbesserte. Dies ermöglichte die Entwicklung der hocheffizienten OLED-Technologie (organische Leuchtdiode), die in der gesamten Elektronikindustrie zum Einsatz kommt. OLED-Displays sorgen heute in den neuesten Smartphone-Modellen und anderen elektronischen Geräten für eine verbesserte Bildhelligkeit, hohe Farbauflösung und größere Energieeffizienz.
Doch der gebürtige Freiburger und bekennende Grundlagenforscher, der in 22 europäischen Patenten genannt ist, ist nicht nur ein international renommierter Physiker, sondern auch Unternehmer, der im Laufe seiner Karriere zahlreiche Start-ups in der Dresdner Technologieregion „Silicon Saxony“ mitbegründet und seine Forschungsarbeit in kommerziell erfolgreiche Elektronik- und Photovoltaikunternehmen umgesetzt hat.