Rote Hefe aus Tiefsee-Sedimenten zeigt antibakterielle und krebshemmende Eigenschaften

Wirkstoffsuche in marinen Hefepilzen

21.01.2021 - Deutschland

Zahlreiche Naturstoffe warten in verschiedenen Lebensräumen auf ihre Entdeckung. Besonders Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze können eine Vielzahl an verschiedenen Naturstoffen mit hohem Anwendungspotenzial als Antibiotika oder Krebstherapeutika produzieren. Dazu gehört auch die sogenannte Rote Hefe aus der Art Rhodotorula mucilaginosa. Wissenschaftler des GEOMAR Zentrums für Marine Biotechnologie (GEOMAR-Biotech) am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben diese Hefe aus Tiefsee-Sedimentproben des Mittelatlantischen Rückens isoliert und sie hinsichtlich ihres Genoms sowie ihres chemischen Wirkstoff-Repertoires untersucht. Gemeinsam konnten die Forscher die antibakterielle und krebshemmende Wirkung der Wirkstoffe nachweisen.

L. Büdenbender, GEOMAR

Reinkultur der Roten Hefe Rhodotorula mucilaginosa, die aus Tiefseesediment-Proben des Mittelatlantischen Rückens isoliert wurde.

Für die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Botanische Genetik und Molekularbiologie an der Universität Kiel unter der Leitung von Professor Frank Kempken bot sich eine einmalige Gelegenheit: über das Institut für Geowissenschaften der CAU erlangte die Gruppe Zugang zu Tiefsee-Sedimentproben des Mittelatlantischen Rückens aus 1600m bis 4000m Tiefe, die während einer Forschungsfahrt mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN gewonnen wurden. Die Forscher um Prof. Kempken konnten aus einem dieser Sedimentkerne aus 3600 m Tiefe erfolgreich lebende Pilzkulturen der Gattung Rhodotorula mucilaginosa isolieren und anzüchten. Die langsam wachsende Pilzart gehört zu den sogenannten Basidiomyceten und ist nicht mit der bekannteren Bäckerhefe zu verwechseln. Diese spezielle Art wächst normalerweise in großer Meerestiefe und ist an den dort herrschenden hohen hydrostatischen Druck und sehr niedrige Temperaturen angepasst.

„Mit der angewandten Methodik ist es uns gelungen, Hefekulturen zu kultivieren, die auch bei Raumtemperatur und unter Atmosphärendruck wachsen können“, sagt Professor Kempken. Die Versuche haben einmal mehr gezeigt, dass Mikroorganismen mit speziellen physiologischen Eigenschaften besonders gut in bestimmten ökologischen Nischen gedeihen. „Die Experimente haben auch gezeigt, dass besondere ökologische Nischen Mikroorganismen mit besonderen Eigenschaften hervorbringen. Unsere Vermutung über die hohe Anpassungsfähigkeit der Roten Hefe hat uns zudem ermutigt, diese Art weiter zu analysieren“, erklärt Professor Kempken, dessen Forschungsgruppe sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit der genetischen Analyse mariner Pilze beschäftigt. So konnte Postdoktorand Dr. Abhishek Kumar (CAU), der gemeinsam mit Dr. Larissa Büdenbender vom GEOMAR Erstautor der Studie ist, durch Kombination von Millionen sequenzierter DNA-Fragmente das Genom des Rhodotorula mucilaginosa-Isolates zusammensetzen. Außerdem konnten Gene für wichtige Komponenten des Biosynthesewegs von Glykolipiden identifiziert werden. Dieser ist besonders wichtig im Hinblick auf die Entwicklung von Naturstoffen zur Anwendung in Medizin und Biotechnologie sowie der Chemie, Lebensmittel-Industrie oder Landwirtschaft.

Die Analyse des gesamten Wirkstoff-Potentials eines Pilzes ist schwierig, da viele Naturstoffe auch in ihrer natürlichen Umgebung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen produziert werden. Es ist schlicht unmöglich, die natürlichen Gegebenheiten der Tiefsee im Labor nachzustellen. Daher entschieden die Leiterin der Forschungseinheit Marine Naturstoffchemie am GEMOAR und des GEOMAR-Biotech, Professor Deniz Tasdemir, und Dr. Büdenbender, die Metabolitproduktion und die Bioaktivität der roten Hefepilze unter unterschiedlichen Wachstumsbedingungen zu untersuchen. Professor Tasdemir erklärt: “Wir konnten medium-abhängig unterschiedliche, entweder krebshemmende oder antimikrobielle Bioaktivität beobachten.“ Als Nächstes untersuchten die Forscher die chemische Zusammensetzung, das sogenannte Metabolom der Hefe-Extrakte. Dazu nutzten sie Algorithmus-basierte automatisierte Methoden der Metabolomik. Es zeigte sich, dass die rote Hefe ganz besonders reich an so genannten Fettsäure-Polyol-Estern (PEFAs) ist. Diese Glykolipide sind phosphorfreie Strukturbestandteile der Zellmembranen und schützen die Hefe möglicherweise vor dem hydrostatischen Druck im Lebensraum Tiefsee. „Im ersten Schritt unserer Untersuchungen fanden wir Dutzende solcher Verbindungen in der Roten Hefe und konnten so die Erforschung des Genoms unserer Kollegen an der Universität Kiel unterstützen“, so Professor Tasdemir. Dr. Büdenbender verfolgte einen gezielten Ansatz zur Aufreinigung dieser aufgrund ihrer hohen strukturellen Ähnlichkeit zueinander schwer zu isolierenden Moleküle. Professor Tasdemir weiter: „Mehrere der isolierten PEFAs waren vorher nicht beschrieben und wir konnten erstmals ihre sehr komplexe chemische Struktur aufklären. Es sieht so aus, dass diese Verbindungen bei gemeinsamem Vorliegen eine stärkere Wirkung gegen Krebs haben. Wir erforschen nun die Gründe für diese Synergieeffekte.“

Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden Arbeitsgruppen am GEOMAR und der Universität Kiel unter Anwendung verschiedener „omics“- Methodiken konnten Erkenntnisse zur Biosynthese neuartiger Naturstoffe eines Tiefsee-Pilzes sowohl auf DNA- als auch auf chemischer Ebene gewonnen werden. Die Ergebnisse aus der Untersuchung dieser ölhaltigen roten Hefe können einen wertvollen Beitrag für die Entwicklung neuer Medikamente leisten. Sie könnten zukünftig aber zudem auch für andere biotechnologische Anwendungen in der Lebensmittel- oder der chemischen Industrie, der Landwirtschaft oder bei Biokraftstoffen von Bedeutung sein.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...