Wie das Coronavirus mit Zellen interagiert

Ersten vollständigen Atlas der direkten Interaktionen zwischen dem neuen Coronavirus und den von ihm befallenen Zellen erstellt

06.01.2021 - Deutschland

Wissenschaftler aus Würzburg und den USA haben den ersten vollständigen Atlas der direkten Interaktionen zwischen dem neuen Coronavirus und den von ihm befallenen Zellen erstellt. Dies eröffnet neue Wege der Behandlung.

SCIGRAPHIX / S. Westermann

18 Proteine der befallenen Zellen spielen während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle.

SARS-CoV-2-Infektionen stellen eine globale Bedrohung für die menschliche Gesundheit und eine gewaltige Herausforderung für die Forschung dar. Zu den dringlichsten Aufgaben gehört es, ein detailliertes Verständnis der molekularen Interaktionen zwischen dem Virus und den von ihm befallenen Zellen zu erlangen. Geklärt werden muss auch die Frage, ob diese Interaktionen die Vermehrung des Virus begünstigen oder – im Gegenteil – Abwehrmechanismen aktivieren.

Um sich zu vermehren nutzt SARS-CoV-2 Proteine der Wirtszelle. Bislang gab es jedoch keine detaillierten Informationen, welcher Teil des menschlichen Proteoms – sprich: der Gesamtheit aller im menschlichen Zellen vorkommenden Proteine – im direkten Kontakt mit der viralen RNA steht.

Publikation in Nature Microbiology

Diese Wissenslücke konnte nun geschlossen werden. Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) Würzburg, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und des Broad Institutes (Cambridge, USA) ist es gelungen, den ersten globalen Atlas der direkten Interaktionen zwischen der SARS-CoV-2-RNA und dem Proteom des menschlichen Wirts zu erstellen. Darüber hinaus identifizieren die Autoren wichtige Regulatoren der viralen Replikation. Verantwortlich für die Studie waren Dr. Mathias Munschauer vom HIRI und Professor Jochen Bodem vom Institut für Virologie und Immunbiologie der JMU. In der Fachzeitschrift Nature Microbiology stellen sie die Ergebnisse ihrer Arbeit vor.

Im Sicherheitsstufe 3-Labor am HIRI infizierten die Wissenschaftler menschliche Zellen mit dem neuen Coronavirus, das RNA als genetisches Material nutzt. In einem zweiten Schritt reinigten sie die virale RNA auf und identifizierten die daran gebundenen Proteine. „Die Massenspektrometrie erlaubt es uns, die Wirtsproteine, die direkt mit dem Virusgenom assoziieren, genau zu bestimmen. In diesem speziellen Fall waren wir in der Lage, quantitative Messungen durchzuführen, um die stärksten spezifischen Bindungspartner zu identifizieren“, sagt Mathias Munschauer.

18 Proteine, 2 Schlüsselfaktoren und 20 potenzielle Inhibitoren

„Der auf diese Weise erstellte Atlas der RNA-Protein-Interaktionen bietet einzigartige Einsichten in SARS-CoV-2-Infektionen und ermöglicht die systematische Aufschlüsselung von zentralen Faktoren und Abwehrstrategien, eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien“, sagt Jochen Bodem. Insgesamt identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 18 Wirtsproteine, die während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle spielen.

Besonders interessant sind nach ihren Worten die beiden Faktoren CNBP und LARP1. Mit Hilfe genetischer Methoden identifizierten die Autoren die genauen Bindungsstellen dieser beiden Wirtsproteine im viralen Genom und zeigen, dass sie die Vermehrung des Virus gezielt hemmen können. Laut Mathias Munschauer ist die Charakterisierung von LARP1 als antiviralem Faktor eine entscheidende Erkenntnis: „Die Art und Weise, wie LARP1 an die virale RNA bindet, ist sehr interessant, denn sie ähnelt der Art wie LARP1 bestimmte zelluläre Boten-RNAs reguliert, die wir bereits kennen. Das wiederum gibt Einblicke in mögliche Wirkmechanismen.“

Der fächerübergreifende Charakter der Studie ermöglichte zudem die Identifikation von 20 niedermolekularen Inhibitoren von Wirtsproteinen, die SARS-CoV-2-RNA binden. Die Autoren zeigen, dass drei von vier getesteten Inhibitoren tatsächlich die virale Vermehrung in verschiedenen menschlichen Zelltypen hemmen. Dieses Ergebnis könnte neue Wege zur Behandlung von Infektionen mit SARS-CoV-2 und anderen RNA-Viren eröffnen.

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