Wie molekulare Helfer Proteinverklumpungen im Zusammenhang mit Parkinson auflösen

Mechanismus der Auflösung von Amyloid-Fibrillen entschlüsselt

13.11.2020 - Deutschland

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson bilden sich im Gehirn Proteinverklumpungen, von denen man annimmt, dass sie zum Absterben neuronaler Zellen beitragen. Es existiert jedoch auch ein zellulärer Abwehrmechanismus, der diesen Verklumpungen, den sogenannten Amyloid-Fibrillen, entgegenwirkt und bereits gebildete Fibrillen sogar auflösen kann. Der Mechanismus beruht auf der Aktivität von molekularen Chaperonen, also Helfern der Proteinfaltung, aus der Klasse des Hitzeschockproteins 70 (Hsp70). Wie das Hsp70-System Fibrillen des Parkinson-spezifischen Proteins α-Synuclein im Reagenzglas wieder auflöst, haben Molekularbiologen der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums untersucht. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Bernd Bukau erwarten von diesen Forschungsergebnissen neue Erkenntnisse darüber, wie die Parkinson-Erkrankung entsteht und sich möglicherweise beeinflussen lässt. Sie wurden in zwei Artikeln in „Nature“ veröffentlicht.

Bernd Bukau, Heidelberg University

Die Auflösung von α-Synuclein-Amyloid-Fibrillen beruht auf der Kooperation des Hsp70-Chaperons mit seinen Co-Chaperonen DNAJB1 und HSP110.

In allen Zellen – vom Bakterium bis zum Menschen – sind Proteine in ihrem natürlichen Zustand gefaltet. Hierbei nehmen die Ketten aus Aminosäure-Bausteinen bestimmte dreidimensionale Strukturen an, wodurch die Proteine ihre Funktionsfähigkeit erhalten. Dieser Zustand der korrekten Faltung ist ständig bedroht durch äußere und innere Einflüsse, die zu falsch gefalteten und damit zu schadhaften Proteinen führen können. Dabei besteht die Gefahr, dass sich schadhafte Proteine zu längeren Strängen, den Amyloid-Fibrillen, „aggregieren“, das heißt zusammenballen. Dies passiert zum Beispiel bei Parkinson-Erkrankungen mit dem α-Synuclein. Die Fibrillen sind wiederum der Ausgangspunkt für die Entstehung noch größerer Ablagerungen. „Der Prozess der Bildung solcher fibrillärer Aggregate kann Zellen schädigen oder sogar zum Zelltod führen, wie es bei neurodegenerativen Erkrankungen, etwa Parkinson und Alzheimer, der Fall ist“, erklärt Prof. Bukau, der am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht.

Wie sich die Verklumpungen von Proteinen wieder auflösen lassen, ist Gegenstand der Forschungen von Prof. Bukau. In früheren Arbeiten ist es gelungen, eine zelluläre Aktivität zu identifizieren, die bei der Auflösung fibrillärer Aggregate eine entscheidende Rolle spielt. Sie beruht auf den Chaperonen der Hsp70-Klasse. Hsp70-Chaperone unterstützen andere Proteine bei der Faltung und können sogar verklumpte Proteine herauslösen und zurückfalten. Welche Auswirkungen sie auf die Parkinson-spezifischen Amyloid-Fibrillen des α-Synuclein-Proteins haben, zeigen die aktuellen Untersuchungen von Prof. Bukau und Postdoktorandin Dr. Anne Wentink. Bei α-Synuclein handelt es sich um ein kleines Protein, das in Gehirnzellen an der Ausschüttung von Botenstoffen mitwirkt, wobei seine genaue Funktion noch unklar ist. Bekannt wurde es dadurch, dass bei Parkinson-Patienten massive Ablagerungen eben dieses Proteins gefunden werden und dies in einem kausalen Zusammenhang mit der Erkrankung steht.

Die Heidelberger Wissenschaftler konnten jetzt mit biochemischen Experimenten zeigen, dass das menschliche Hsp70-Chaperon bei der Auflösung von Amyloid-Fibrillen des α-Synuclein-Proteins auf die Unterstützung von zwei spezifischen Co-Chaperon-Partnern angewiesen ist, die die Bezeichnungen DNAJB1 und Hsp110 tragen. Ein genau reguliertes Wechselspiel dieser Proteine miteinander führt zur Ausbildung von Chaperon-Komplexen auf der Oberfläche der Fibrillen, die dann die Verklumpungen auflösen. „Es ist die schiere lokale Anhäufung der vielen Chaperon-Proteine auf der Oberfläche der α-Synuclein-Fibrillen, die die Kraft zum Bruch der Fibrillen und Herauslösen von α-Synuclein-Molekülen erzeugt“, so Dr. Wentink. Eine entscheidende Rolle spielt hier die räumliche Enge zwischen den Chaperonen auf der beengten Oberfläche der Fibrillen. Dadurch wird eine Zugkraft erzeugt, die den Oberflächenfibrillen entgegenwirkt.

Durchgeführt wurden die Untersuchungen gemeinsam mit Kollegen des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, dem Centre de Biologie Structurale de Montpellier (Frankreich) und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Schweiz). Das Projekt wurde durch das Programm Spitzenforschung der Baden-Württemberg Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Helmholtz-Gemeinschaft gefördert.

Im Mittelpunkt der zweiten in „Nature“ veröffentlichten Studie steht ein bislang unbekannter Regulationsmechanismus, eine Art molekularer Schalter, mit dem die gesamte Hsp70-Chaperon-Aktivität bei der Auflösung von Amyloid-Fibrillen in Gang gesetzt wird. Dieser Mechanismus beruht auf einer Abfolge von direkten Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Bereichen des DNAJB1-Co-Chaperons und des Hsp70-Chaperons. Dadurch wird letztendlich Hsp70 zur Verwendung von ATP als Energieträger aktiviert und in die Lage versetzt, an die Fibrillen zu binden und deren Auflösung zu bewirken. Diesen Mechanismus zu identifizieren gelang durch eine enge Zusammenarbeit von Dr. Rina Rosenzweig vom Weizmann Institute of Science in Rehovot (Israel) mit Prof. Bukau und Dr. Wentink sowie Dr. Nadinath Nillegoda von der Monash University in Melbourne (Australien) – ehemaliger Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in der Forschungsgruppe von Bernd Bukau.

„Unsere aktuellen Forschungsergebnisse aus den beiden Studien liefern ein molekulares Verständnis davon, wie Amyloid-Fibrillen aufgelöst werden. Diese Aktivität wird von einer Chaperon-Maschinerie bewirkt“, betont Prof. Bukau. Dies eröffnet nach den Worten des Heidelberger Wissenschaftlers neue Wege für die Entwicklung von Wirkstoffen, die auf den durch Chaperone bewirkten zellulären Abwehrmechanismus bei der Amyloid-Bildung abzielen. Ein besseres Verständnis, wie die Aktivität der Chaperone auch den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen beeinflussen, wird daher von wesentlicher Bedeutung für eine mögliche therapeutische Nutzung der in diesen Studien beschriebenen Ergebnisse sein.

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