„Corona hat unsere Branche gebeutelt“

Rückkehr auf Vorkrisenniveau nicht vor 2022 erwartet

30.10.2020 - Deutschland

Die hessische Chemie- und Pharmaindustrie rechnet aufgrund der Corona-Krise mit einem insgesamt schlechten Geschäftsjahr. Dabei ist der Verlauf in der klassischen Chemie schwächer als in der pharmazeutischen Industrie, die im Hinblick auf die Impfstoffentwicklung derzeit eine „Front-Runner-Position“ einnimmt. „Die seit Ende 2018 eingetretene rezessive Entwicklung wurde durch die Folgen der Corona-Pandemie noch einmal deutlich verschärft“, betonte der Vorstandsvorsitzende des Arbeitgeberverbandes HessenChemie, Oliver Coenenberg (Sanofi-Aventis Deutschland GmbH). So lag der Gesamtumsatz der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Hessen im bisherigen Jahresverlauf mit 17,9 Milliarden Euro um 2,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Produktion verzeichnete einen Rückgang von 2,0 Prozent. Die Beschäftigung blieb hingegen noch stabil.

Insbesondere die klassische Chemie als Vorleistungsgüterindustrie ist von den Auswirkungen der Krise stark betroffen. Die Umsätze gingen bis August um 8,8 Prozent zurück, die Produktion sank um 4,7 Prozent. Im Vergleich dazu beweist sich der Pharmasektor mit einem Gesamtumsatz von 8,1 Milliarden Euro als Stabilitätsanker (+ 5,9 Prozent). Die Produktion stieg um 1,6 Prozent.

Arbeitgeberverband Chemie und verwandte Industrien für das Land Hessen e.V. (HessenChemie)

Pressegespräch der Chemie 2020: Jürgen Funk, Geschäftsführer Verbandskommunikation und politische Öffentlichkeitsarbeit HessenChemie; und Oliver Coenenberg, Vorstandsvorsitzender HessenChemie & Sanofi-Aventis Deutschland GmbH (v. links).

Keine schnelle Erholung erwartet

Laut einer Verbandsumfrage des Arbeitgeberverbandes HessenChemie bewerten 65 Prozent der Unternehmen ihre derzeitige Wirtschaftslage schlechter als im Vorjahr. 58 Prozent erwarten für 2020 einen Rückgang ihrer Produktion, 52 Prozent sinkende Erträge. Auch wenn die Erwartungen für 2021 wieder etwas positiver ausfallen, wird eine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau nicht vor 2022 erwartet.

„Die Pandemie ist eine der größten Bewährungsproben, die wir bisher erlebt haben“, betonte der Vorstandsvorsitzende des VCI Hessen Jochen Reutter (GSK Vaccines GmbH). Bei deren Bekämpfung nehmen insbesondere die hessischen Pharmaunternehmen mit der Impfstoffentwicklung und Produktion eine „Front-Runner-Position“ ein. Die Politik müsse hier dem dringlichen Impfstoff-Bedarf gerecht werden und Lösungen für die schnelle Genehmigung der Impfstoff-Produktion auch in neuen Anlagen schaffen.

Zukunftsthemen weiterhin angehen

Die Chemieverbände Hessen fordern von der Politik die relevanten Zukunftsthemen nicht aus den Augen zu verlieren. Der Klimaschutz sei für sie ein essenzielles Thema, so Reutter. „Europa mit dem Green Deal bis 2050 klimaneutral aufzustellen kann gelingen, allerdings nur mit einer Stabilisierung der Strompreise und ausreichenden Kapazitäten bei der nachhaltigen Energieproduktion.“ Ferner sei der Emissionshandel das geeignete Instrument, um den CO2-Ausstoß zu begrenzen.

Die von den Chemieverbänden seit langer Zeit geforderte Unternehmenssteuerreform muss jetzt kommen und die bestehende Belastung von 31 Prozent auf 25 Prozent absenken. Nur so kann der Standort im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben.

Rechtsanspruch auf Homeoffice ist überflüssig und schädlich

Mobiles Arbeiten habe sich in der Pandemie als relevantes und funktionierendes Instrument erwiesen, „ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice geht aber komplett an der betrieblichen Praxis vorbei und wir lehnen dies daher entschieden ab!“, so Coenenberg. Anstatt über eine bürokratische Regelung nachzudenken, müsse man vielmehr das Arbeitszeitgesetz modernisieren und flexibler gestalten.

Darüber hinaus sollten die Sozialabgaben auch über 2021 hinaus auf maximal 40 Prozent begrenzt werden, „denn steigende Lohnzusatzkosten verteuern die Arbeit und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit“, so Coenenberg abschließend.

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