Proteomic Profiling zeigt Innovationspotenzial neuer Antibiotika an

Mit Proteomik die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigen

21.10.2020 - Deutschland

Im Kampf gegen bakterielle Infektionen, vor allem durch resistente Erreger, läuft die Suche nach neuen antibiotischen Wirkstoffen auf Hochtouren. Ziel ist es, Substanzen zu identifizieren, die die Erreger auf wirklich neuem Weg angreifen. Wie analysiert werden kann, ob ein neues Antibiotikum einen neuen Wirkmechanismus aufweist, hat das Team des Centrums für systembasierte Antibiotikaforschung (Cesar) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in zwei Publikationen beschrieben. Gelungen ist dies durch die Analyse des Proteoms, der Gesamtheit aller im Bakterium vorhandenen Proteine. Sie zeigen, wie die Zelle auf Stress reagiert. Das Team berichtet in der Zeitschrift Antimicrobial Agents and Chemotherapy, online vorab veröffentlicht am 12. Oktober 2020. In einer weiteren Arbeit in der Zeitschrift Proteomics vom 19. September 2020 evaluierte das Team die Anwendbarkeit einer Methode zur Bestimmung des molekularen Angriffsortes von Antibiotika.

© RUB, Marquard

Dr. Sina Schäkermann ist Hauptautorin eines der beiden Berichte, die zur Proteom-basierten Suche nach neuen antibiotisch wirksamen Substanzen veröffentlicht wurden.

Wie ein Bakterium auf fast 100 Substanzen reagiert

Die Forscher, darunter viele Studierende der RUB, haben über Jahre hinweg Veränderungen des Proteoms des Modellorganismus Bacillus subtilis nach der Behandlung mit verschiedenen Wirkstoffen untersucht. „Die aktuelle Arbeit ist eine Zusammenstellung der Antworten auf fast 100 Substanzen“, erklärt Prof. Dr. Julia Bandow, Inhaberin des Lehrstuhls für Angewandte Mikrobiologie und Leiterin des Cesar.

Die Antwort des Bakteriums auf Antibiotikabehandlung stellt gleichsam einen Spiegel des physiologischen Stresses dar: Sorgt das Antibiotikum beispielsweise dafür, dass die Fettsäurebiosynthese gestört wird, werden die dafür nötigen Enzyme hochreguliert. „Da man recht gut versteht, wie Bacillus subtilis sich an wechselnde Bedingungen anpasst und wie das Bakterium auf unterschiedliche Stressfaktoren reagiert, können wir von der Proteomantwort oft darauf zurückschließen, welcher Prozess in der Zelle durch ein neues Antibiotikum beeinträchtigt ist“, erklärt Julia Bandow den sogenannten Comparison-of-Proteomic-Responses-Ansatz, kurz CoPR.

Ähnliche oder neue Wirkweise

Auf dieser Basis lässt sich ablesen, ob eine vielversprechende neue antibiotische Substanz ähnlich wirkt wie eine der bereits bekannten oder wirklich einen neuen Wirkmechanismus hat. „Wir freuen uns, wenn wir neue Proteomantworten sehen, denn das deutet darauf hin, dass die Substanz anders wirkt als die bisher untersuchten Antibiotika“, erklärt die Forscherin. In diesem Fall müsse man sich intensiv mit den regulierten Proteinen beschäftigen, um der Ursache für die Antwort und damit dem Wirkmechanismus auf die Spur zu kommen.

Als Beispiele haben die Forscher das erste jemals am Menschen eingesetzte Antibiotikum Salvarsan, das möglicherweise als Antibiotikum taugliche antirheumatische Auranofin, ein neues atypisches Tetrazyklin sowie die neue Hemmstoffklasse der trans-Translationsinhibitoren näher untersucht.

Welches Protein das Ziel ist

Bei neuen Antibiotika mit innovativen Wirkmechanismen ist es im nächsten Schritt essenziell, das direkte molekulare Ziel in der bakteriellen Zelle aufzuklären. Dazu wurde in der zweiten Studie die Anwendbarkeit einer bereits bekannten Wirkort-Analytik, basierend auf chromatografischer Co-Elution von Wirkstoff und Zielprotein, für die Antibiotikaforschung untersucht. Die Forscher inkubierten die Proteine aus Bakterienzellen mit einem zu untersuchenden Wirkstoff, sodass dieser an sein Ziel binden konnte. Im nächsten Schritt wurden die Proteine chromatografisch getrennt, wodurch man das Gemisch in seine einzelnen Bestandteile zerlegt. Der Wirkstoff bleibt dabei an das Zielprotein gebunden.

Mittels Massenspektrometrie suchte das Forschungsteam dann nach dem Wirkstoff. Neben dem an Proteine gebundenen Wirkstoff lässt sich auch der überschüssige Wirkstoff finden, der frei vorliegt. „Wenn man den Wirkstoff der gleichen chromatografischen Trennung ohne Proteine unterzieht, kann man feststellen, in welchen Fraktionen der freie Wirkstoff vorliegt. Die anderen Fraktionen sind dann die, die das Zielprotein enthalten“, so Julia Bandow.

In seiner Arbeit konnte das Team von Cesar nicht nur den Wirkort eines gut untersuchten Antibiotikums bestätigen, sondern auch klären, dass mithilfe dieser Technik viele mögliche Antibiotikazielorte erfasst werden können. „Das bestätigt das Potenzial dieser Methode zur Identifizierung neuer Wirkorte“, so Bandow.

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