Risiko-Gen für Alzheimer wirkt sich frühzeitig auf das Gehirn aus

Ergebnisse einer Studie an 82 jungen Erwachsenen

21.09.2020 - Deutschland

Eine genetische Veranlagung für die altersbedingte Form der Alzheimer-Erkrankung beeinflusst, wie die Gehirne junger Erwachsener bestimmte Gedächtnisaufgaben verarbeiten. Fachleute des DZNE und der Ruhr-Universität Bochum berichten darüber im Wissenschaftsjournal „Current Biology“. Ihre Ergebnisse beruhen auf Untersuchungen mit der Magnetresonanztomografie an Personen im Alter von etwa 20 Jahren. Die Forscher vermuten, dass die beobachteten Effekte mit sehr frühen Krankheitsprozessen zusammenhängen könnten.

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Symbolbild

Die Ursachen für Alzheimer im hohen Alter sind nur ansatzweise verstanden. Man geht davon aus, dass die Erkrankung durch ein unglückliches Zusammenspiel von Lebensstil, äußeren Faktoren und genetischen Risiken entsteht. Der größte genetische Risikofaktor für die altersbedingte Form der Alzheimer-Erkrankung geht auf erbliche Mutationen zurück, die das Gen für „Apolipoprotein E“ (ApoE) betreffen - einen für Fettstoffwechsel und Nervenzellen bedeutsamen Eiweißstoff. Vom ApoE-Gen sind drei Varianten bekannt. Die häufigste Form steht für ein durchschnittliches Alzheimer-Risiko - eine der beiden selteneren Varianten für ein erhöhtes, die andere für ein verringertes Risiko.

„Uns hat interessiert, ob und wie sich die verschiedenen Genvarianten auf die Hirnfunktion auswirken. Deshalb haben wir die Gehirne junger Erwachsener im Hirnscanner untersucht, während sie eine Aufgabe lösen mussten, die ihr Gedächtnis herausforderte“, erläutert Dr. Hweeling Lee, die die aktuelle Studie am DZNE in Bonn leitete.

Unterscheidung ähnlicher Geschehnisse

Die Gruppe der Versuchsteilnehmer umfasste 82 junge Frauen und Männer. Sie waren jeweils etwa 20 Jahre alt, alle studierten an einer Universität und galten als kognitiv gesund. Gemäß ihrer Erbanlagen für ApoE hatten 33 Teilnehmer ein durchschnittliches, 34 ein erhöhtes und 15 ein verringertes Risiko, im späten Alter an Alzheimer zu erkranken. Allen Probanden wurden während der Untersuchung im Hirnscanner über einen Monitor nacheinander mehr als 150 verschiedene Abbildungen vorgespielt. Es waren alltägliche Dinge: beispielweise ein Hammer, eine Ananas oder eine Katze. Einige Bilder wurden nach einer Weile wiederholt, manchmal hatte sich dabei die Position der dargestellten Objekte auf dem Bildschirm verändert. Die Studienteilnehmer hatten nun die Aufgabe, zu erkennen, ob ein Objekt „neu“ oder zuvor bereits gezeigt worden war – und falls dies ihrer Meinung nach zutraf, ob sich dessen Lage verändert hatte.

„Wir haben die Fähigkeit getestet, ähnliche Geschehnisse voneinander zu unterscheiden. Das nennt man Muster-Trennung“, sagt Hweeling Lee. „Im Alltag geht es beispielsweise darum, sich daran zu erinnern, ob man einen Schlüssel in der linken oder der rechten Schublade einer Kommode abgelegt hat oder auf welchem Platz innerhalb eines Parkhauses das Auto abgestellt wurde. Solche Situationen haben wir in vereinfachter Weise nachgestellt, indem wir die Position der abgebildeten Gegenstände verändert haben.“

Detailschärfe durch modernste Technik

Parallel zu dieser Versuchsreihe wurde mit einem Messverfahren, das sich „funktionelle Magnetresonanztomografie“ nennt, die Hirnaktivität der Probanden registriert. Im Fokus stand der Hippocampus, ein nur wenige Kubikzentimeter großes Areal, das einmal in jeder Gehirnhälfte vorkommt. Der Hippocampus gilt als Schaltzentrale des Gedächtnisses. Außerdem zählt er zu jenen Hirnbereichen, in denen bei einer Alzheimer-Erkrankung erste Schäden auftreten.

Bei der Messung der Hirnaktivität konnte der Scanner sein Potential voll ausspielen: Es handelte sich nämlich um einen „Ultra-Hochfeld-Tomografen“ mit einer Magnetfeldstärke von sieben Tesla. Solche Geräte erreichen eine bessere Auflösung als Hirnscanner, die bei medizinischen Untersuchungen üblicherweise zum Einsatz kommen. Dies ermöglichte es den Forschenden, die Hirnaktivität in diversen Teilbereichen des Hippocampus mit hoher Präzision zu erfassen. „Bislang gab es keine vergleichbaren Studien mit solcher Detailschärfe an Teilnehmern, die hinsichtlich ApoE genotypisiert waren. Das ist ein besonderes Merkmal unserer Studie“, so Hweeling Lee.

Keine Unterschiede in der Gedächtnisleistung

Hinsichtlich der Fähigkeit zur Mustertrennung gab es keine Unterschiede zwischen den drei Probandengruppen. „Alle Studienteilnehmer waren im Gedächtnistest ähnlich gut – unabhängig davon, ob sie ein erhöhtes, ein verringertes oder ein durchschnittliches Risiko für Alzheimer hatten. Bei jungen gesunden Menschen sind solche Ergebnisse durchaus zu erwarten“, so Nikolai Axmacher, Professor für Neuropsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, der an der aktuellen Studie ebenfalls beteiligt war. „Unterschiede gab es gleichwohl in der Hirnaktivität. Die verschiedenen Probandengruppen aktivierten die diversen Unterbereiche des Hippocampus in unterschiedlicher Weise und unterschiedlich stark. Ihre Gehirne reagierten also unterschiedlich auf die Gedächtnisaufgabe. Tatsächlich haben wir Unterschiede in der Hirnaktivierung nicht nur zwischen Personen mit durchschnittlichem und erhöhtem Risiko beobachtet, sondern auch zwischen Personen mit durchschnittlichem und reduziertem Risiko.“

Ob diese Effekte für die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung im Alter von Bedeutung sind, ist aktuell ungewiss. „Unsere Befunde könnten mit sehr frühen Krankheitsprozessen zusammenhängen. Dies zu klären, ist eine Aufgabe für künftige Studien und könnte dazu beitragen, Biomarker für die Früherkennung von Demenz zu entwickeln“, meint Hweeling Lee. „Bemerkenswert ist jedenfalls, dass sich eine genetische Veranlagung für Alzheimer schon im jungen Erwachsenenalter im Gehirn widerspiegelt.“

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