Zu viel Herz ist ungesund. Denn eine zu starke Zunahme der Muskelmasse bedeutet, dass unser Pumporgan leichter überlastet wird. Häufigster Auslöser für eine solche Herzmuskel-Hypertrophie ist Bluthochdruck. Der macht es dem Herzen schwerer, die Aortenklappe zu öffnen und Blut in den Körper zu pumpen. Um das auszugleichen, verdickt sich der Herzmuskel, wird aber gleichzeitig immer unelastischer, und die Pumpleistung lässt nach. Dadurch wird der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Bislang können Therapien das geschwächte Herz nur entlasten und Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder chronische Müdigkeit lindern. Jetzt haben Forscherinnen und Forscher aus dem Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) einen Weg entdeckt, den Krankheitsverlauf rückgängig zu machen. Die Studie unter der Leitung von Professor Dr. Dr. Thomas Thum, Direktor des Instituts, und seinem Mitarbeiter Dr. Christian Bär ist im renommierten Fachmagazin European Heart Journal veröffentlicht worden. Erstautorinnen sind Dr. Janika Viereck und Anne Bührke.
Biomolekül H19 ist der Schlüssel zur verbesserten Herzfunktion
Der Schlüssel zur Therapie ist eine sogenannte lange, nicht-codierende RNA (lncRNA) mit Namen H19. Sie regelt bestimmte Wachstums- und Entwicklungsprozesse im Körper. In ihrer Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachtet, dass H19 in geschwächten Herzen offenbar verloren geht – bei Mäusen und Schweinen ebenso wie bei Menschen mit verschiedenen Herzerkrankungen. „Durch eine gezielte Gentherapie mit H19 konnten wir im Mausmodell diesen Mangel ausgleichen, die Herzfunktion deutlich verbessern und den Krankheitsverlauf sogar teilweise rückgängig machen“, erklärt Janika Viereck.
Für die Therapie hat das Forschungsteam einen umgebauten Virus-Vektor genutzt, der als Genfähre die Erbinformation für H19 gezielt in die Herzmuskelzellen schleust, wo der Bauplan für die lncRNA dann direkt umgesetzt wird. Das Besondere: H19 hat sich im Laufe der Evolution in seiner Struktur kaum verändert. So erzielte nicht nur das mausspezifische H19-Gen einen therapeutischen Effekt in den Versuchsmäusen. Die heilende Wirkung konnte auch durch Gabe des menschlichen H19-Gens nachgewiesen werden. „Deshalb hoffen wir, dass unsere Methode auch im Menschen gut funktionieren wird“, sagt Studienleiter Bär. Die Ergebnisse dienen als wichtige als Grundlage für eine mögliche weiterführende klinische Entwicklung der Gentherapie.
Dr. Janika Viereck, Professor Dr. Dr. Thomas Thum, Anne Bührke und Dr. Christian Bär (von links).
Karin Kaiser / MHH