Alkoholbedingte Immunreaktion im Gehirn erhöht Suchtrisiko
Alkohol verändert Form und Struktur des Extrazellularraumes in der grauen Hirnsubstanz
Ein internationales Forscherteam hat einen neuen Mechanismus entdeckt, wie Alkohol das Gehirn verändert. Andauernder Alkoholkonsum aktiviert hirneigene Abwehrzellen, sogenannte Mikroglia, was zu einer erhöhten Diffusion von Botenstoffen zwischen den Nervenzellen führt.
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Symbolbild
Photo by Yucel Moran on Unsplash
Wer Alkohol konsumiert, weiß in der Regel, dass zu viel des Guten süchtig machen kann. Was dabei im Gehirn passiert, ist aber weiterhin nicht klar. Ein Forscherteam aus vier europäischen Ländern unter maßgeblicher Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim hat nun in der Fachzeitschrift Science Advances über einen bisher unbekannten Mechanismus der Alkoholwirkung berichtet. Die Forscher beobachteten, dass Alkohol beim Menschen als auch bei Versuchstieren in der grauen Hirnsubstanz die Form und Struktur des Extrazellularraumes (EZR) verändert. Sie führen dies auf die Aktivierung von spezifischen Immunzellen des Gehirns, der Mikroglia, zurück.
Der EZR besteht aus Hohlräumen und Kanälen, die sich zwischen Nerven- und Gliazellen sowie deren vielen Fortsätzen bilden. Der EZR ist mit Flüssigkeit gefüllt. Dort zirkulieren viele Substanzen, die für verschiedene physiologische Prozesse notwendig sind. „Nach chronischer Alkoholexposition reagieren die Immunzellen des Gehirns, sie schrumpfen und ziehen ihr dichtes Geflecht aus Fortsätzen zurück. Durch den Wegfall von Barrieren ändert sich die Geometrie des EZR und es ergeben sich neue Diffusionswege. Viele Botenstoffe, wie zum Beispiel das für das Belohnungslernen wichtige Dopamin, verteilen sich über das Volumen des EZR. Die erhöhte Diffusion kann ihre Aktivität deutlich beeinflussen“ erklärt Dr. Santiago Canals vom Instituto de Neurosciencias in Alicante/Spanien, der gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Sommer, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Psychopharmakologie und Oberarzt an der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am ZI, für die Studie verantwortlich ist.
Wenn die Diffusion im EZR erhöht ist, dann steigt auch die sogenannte Volumentransmission. Diese ist eine besondere Art der Signalübertragung im Gehirn. Sie unterscheidet sich von der üblichen Punkt-zu-Punkt-Kommunikation über Synapsen durch das gleichzeitige Erreichen vieler Kommunikationselemente über die in den EZR freigesetzten Neurotransmitter. „Erhöhte Diffusion im EZR und Volumentransmission mögen als sehr unspezifische Wirkmechanismen für eine Droge erscheinen. Dadurch werden aber eine Vielzahl von Kommunikationsprozessen im Gehirn beeinflusst“, sagt ZI-Forscher Prof. Dr. Wolfgang Sommer. „Die in unserer Studie beschriebenen Interaktionen zwischen Nerven- und Immunsystem bieten einen Erklärungsansatz, wie Alkohol, trotz anfänglich recht schwacher akuter Effekte auf das Belohnungssystem, über die Zeit Anpassungsreaktionen auslöst, welche seine Wahrnehmung und seinen Konsum begünstigen sowie das Verlangen nach der Droge steigern, mit anderen Worten eine Suchtentwicklung befördern,“ ergänzt Prof. Sommer.
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