Rezeptor macht Mäuse stark und schlank

Entsprechende Signalwege könnten auch im Menschen existieren

29.06.2020 - Deutschland

Ein zunehmender Bauchumfang und schrumpfende Muskeln sind zwei häufige Begleiterscheinungen des Alterns. Forscher der Universität Bonn haben in Mäusen einen Rezeptor entdeckt, der beide Effekte reguliert. Versuche mit menschlichen Zellkulturen deuten darauf hin, dass die entsprechenden Signalwege auch im Menschen existieren könnten. Die Studie, an der auch Wissenschaftler aus Spanien, Finnland, Belgien, Dänemark und den USA beteiligt waren, ist nun in der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ erschienen.

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Symbolbild

Zellen tragen auf ihrer Oberfläche zahlreiche unterschiedliche „Antennen“, Rezeptoren genannt, die spezifische Signalmoleküle empfangen können. Sie lösen dann in der Zelle eine ganz bestimmte Reaktion aus. Eine dieser Antennen ist der A2B-Rezeptor. Auf der Oberfläche mancher Zellen wimmelt es geradezu von ihm – zum Beispiel im sogenannten braunen Fettgewebe. Braunes Fettgewebe ist im Gegensatz zu seinem weiß gefärbten Verwandten nicht dazu da, Fett zu speichern. Stattdessen verbrennt es Fett und erzeugt damit Wärme.

„Wir haben uns in unserer Publikation die A2B-Rezeptoren in braunem Fettgewebe genauer angesehen“, erklärt Prof. Dr. Alexander Pfeifer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Universitätsklinikums Bonn. „Dabei sind wir auf einen interessanten Zusammenhang gestoßen: Je mehr A2B eine Maus bildet, desto mehr Wärme produziert sie.“ Die A2B-Antennen scheinen also irgendwie die Aktivität der braunen Fettzellen zu erhöhen. Noch spannender war aber eine zweite Beobachtung: Die Tiere wiegen trotz ihrer gesteigerten Fettverbrennung kaum weniger als ihre Artgenossen. „Sie sind zwar schlanker, haben aber gleichzeitig mehr Muskeln“, erklärt Pfeifer.

Muskeln wie eine junge Maus

Tatsächlich konnten die Forscher nachweisen, dass auch die Muskelzellen von Mäusen den A2B-Rezeptor tragen. Wird er durch das passende Molekül stimuliert, regt dies in den Nagern das Muskelwachstum an. „Der Rezeptor reguliert also beides – Fettverbrennung und Muskelbildung“, betont Pfeifers Mitarbeiter Dr. Thorsten Gnad, der Erstautor der Studie.

Mäuse bauen im Alter verstärkt Muskulatur ab – ähnlich wie der Mensch. Ebenso wie wir tendieren sie zudem dazu, mit den Jahren um die Hüften deutlich an Fett zuzulegen. Erhalten sie aber einen Wirkstoff, der den A2B-Rezeptor aktiviert, hemmt er diese Alterungseffekte: Ihr Sauerstoffverbrauch (ein Indikator für die Fettverbrennung) steigt um fast die Hälfte an; nach vier Wochen Behandlung verfügen sie zudem über ähnlich viel Muskelmasse wie ein Jungtier. „Die A2B-Aktivierung kann also beide Alterungseffekte ein Stück weit rückgängig machen“, erklärt Gnad.

Um zu sehen, ob die Ergebnisse auch Aussagekraft für den Menschen haben, untersuchten die Wissenschaftler zudem menschliche Zellkulturen sowie entnommenes Gewebe. Dabei stellten sie fest, dass bei Menschen mit einer großen Menge von A2B-Rezeptoren das braune Fettgewebe auf höheren Touren läuft. Gleichzeitig verbrauchen ihre Muskelzellen mehr Energie – ein möglicher Hinweis darauf, dass sie ebenfalls aktiver sind und eventuell verstärkt neugebildet werden.

„Übergewicht ist weltweit ein zunehmendes Problem“, betont Prof. Pfeifer. „Jedes Kilo mehr erhöht nicht nur das Risiko, an Diabetes zu erkranken sondern auch die Gefahr für Bluthochdruck, Gefäßschäden und damit auch für Herzinfarkt und Schlaganfall. Die mit den Jahren schrumpfende Muskulatur verschärft diese Probleme noch, da sie den Energiebedarf des Körpers sowohl in Ruhe als auch in Bewegung weiter senkt.“ Darüber hinaus beeinträchtigt die Muskelschwäche den Alltag von Seniorinnen und Senioren immens, da sie in ihrer Mobilität zunehmend eingeschränkt sind.

Die Aussicht, einen Rezeptor an der Hand zu haben, der eventuell beide Alterserscheinungen verlangsamen kann, sei daher elektrisierend, erklären die Pharmakologen. Zunächst müsste aber weitere Forschung zeigen, inwieweit die Mechanismen in Menschen tatsächlich denen in der Maus gleichen. Momentan gebe es zudem noch keinen zugelassenen Wirkstoff, der den A2B-Rezeptor stimulieren kann. Entsprechend wenig ist bislang auch über etwaige Nebenwirkungen einer solchen Behandlung bekannt. „In Mäusen haben wir zwar keine Anzeichen einer Unverträglichkeit gefunden“, sagt Pfeifer. „Allerdings ist die Aussagekraft der Ergebnisse natürlich auch bei dieser Frage begrenzt.“

Der Erfolg der Studie sei auch der guten Kooperation mit den zahlreichen internationalen Partnern zu verdanken, betont Gnad: „Ohne eine solche Zusammenarbeit lassen sich komplexe Fragen heute kaum noch umfassend bearbeiten.“

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