Licht steuert Injektion

Forscher schleusen Proteine mit einem Sekretionssystem von Bakterien zielgenau in Zellen ein

15.05.2020 - Deutschland

Wenn Bakterien wie Salmonella oder Yersinia bei einem Menschen Fieber, Durchfall oder Bauchschmerzen verursachen, sind winzige „Injektionsnadeln“ am Werk: das Typ 3-Sekretionssystem, kurz: T3SS, schießt Virulenzproteine der Bakterien direkt in die Wirtszellen. Forscher wollen mithilfe des Injektionsapparates der Bakterien Proteine in Zellen einschleusen. Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat nun das Injektionssystem optogenetisch gesteuert, also mit Licht. Das ermöglicht zukünftig den zielgenauen Einsatz in biotechnologischen oder medizinischen Anwendungen.

© Max Planck Institute for terrestrial Microbiology/Diepold

Links: Im Dunkeln ist eine Komponente des Injektionssystems (rot) an der Membran des Bakteriums verankert. Sobald das Bakterium beleuchtet wird (rechts), wird die Komponente freigegeben, das System wird aktiv und Proteine können in die Wirtszelle (oben) injiziert werden.

© Max Planck Institute for terrestrial Microbiology/Diepold

Bakterien, die ein Zelltod-Protein mit dem Injektionssystem injizieren, können Krebszellen zum Absterben bringen. Bei Beleuchtung (rechts) sind nach einer Stunde viele tote sternförmige Zellen zu sehen.

© Max Planck Institute for terrestrial Microbiology/Diepold
© Max Planck Institute for terrestrial Microbiology/Diepold

Da viele Bakterien das Typ 3-Sekretionssystem für eine Infektion benötigen, ist es ein zentrales Ziel für mögliche Therapeutika. Auf der anderen Seite bietet es die Chance, wie mit einem trojanischen Pferd Proteine in Zellen einzuschleusen. Der Transfer von Proteinen durch das Sekretionssystem ist schnell and effizient: Eine einzelne Einheit kann in wenigen Sekunden Tausende Moleküle in eine einzelne Wirtszelle übertragen.

So schlagkräftig das Injektionssystem ist, so ungenau arbeitet es. „Sobald es in Kontakt mit einer Wirtszelle kommt, feuert es seine Ladung ab. Das ist ungünstig für Anwendungen der Biotechnologie oder Medizin, bei denen man ja ganz bestimmte Zelltypen im Visier hat, zum Beispiel in der Tumortherapie“, so Andreas Diepold, Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie.

Protein-Injektion mittels Lichtschalter

Doch Diepolds Arbeitsgruppe ist es gelungen, das T3SS-Injektionssystem vollständig durch Lichteinstrahlung von außen zu steuern. Damit könnten Proteine zu einem präzisen Zeitpunkt und einem genau bestimmten Ort in eukaryotische Zellen injiziert werden. „Bereits in meiner Zeit als Postdoktorand an der University Oxford habe ich entdeckt, dass bestimmte Teile des Injektionssystems mobil sind“, erklärt Andreas Diepold. „Sie tauschen sich ständig zwischen diesem Apparat und dem Zellinneren aus.“ Diese Erkenntnise verband er mit dem noch jungen Forschungszweig der optogenetischen Steuerung. Das Prinzip dieser Technik: Protein-Interaktionen lassen sich mit einer Schnelligkeit von Millisekunden steuern, indem ihre räumliche Struktur durch Lichtreize bestimmter Wellenlängen verändert werden. Dies erlaubt eine schnelle und spezifische Kontrolle definierter molekularer Abläufe.

Doktorand Florian Lindner hat die dynamische T3SS-Komponente mit einem Teil eines optogenetischen (lichtabhängigen) Interaktionsschalters fusioniert, der andere Teil wurde in der Membran der Bakterienzelle verankert. Die Bakterien werden in Kontakt mit den Wirtszellen gebracht und dann an der gewünschten Stelle und zum gewünschten Zeitpunkt gezielt mit blauem Licht beleuchtet. Damit lässt sich die Verfügbarkeit der Komponenten und damit die Funktion des Injektionssystems an- und ausschalten. 

Anwendung in der Tumorforschung

Da die Beladung des System (die zu injizierenden Proteine) sehr flexibel ist, kann das System vielseitig eingesetzt werden. So haben die Forscher zusammen mit Thorsten Stiewe von der Philipps-Universität Marburg mit dem neuen System Tumorzellen in Zellkultur abgetötet. Die Wissenschaftler wollen die Technik jetzt sowohl für die Grundlagenforschung als auch zur Entwicklung weiterer Anwendungen nutzen.

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