Feuchte Aussprache oder «Corona-Wolke»: Wie verteilt sich das Virus?

Studien hierzu verbreiten sich schneller als das Virus. Doch Augenmaß ist gefragt.

07.05.2020 - Deutschland

(dpa) Da liegt etwas in der Luft: In kleinen Partikeln kann sich das Coronavirus verbreiten. Schwungvoll und gut sichtbar beim Niesen oder Husten, aber auch eher zaghaft und fürs menschliche Auge kaum sichtbar beim einfachen Sprechen.

mohamed_hassan, pixabay.com, CC0

Symbolbild

US-Forscher haben das jüngst per Laserlicht eindrucksvoll dargestellt: Während ein Mann «stay healthy» («Bleib gesund») sagt, funkeln grüne Sprenkel vor einem schwarzen Hintergrund. Trägt der Sprecher eine Maske, ist davon nichts mehr zu sehen.

Wie feucht die Aussprache ist, hänge unter anderem von der Lautstärke und den Lauten ab, erklärt Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann vom Helmholtz Zentrum München und dem Institut für Umweltmedizin an der Technischen Universität München. Das th aus dem Englischen wie in «thunderstorm» (Gewitter) oder Zischlaute eigneten sich wunderbar für Demonstrationen. Anders ausgedrückt: «Wenn ein Infizierter vor mir steht und thunderstorm sagt, ist die Gefahr groß, mich anzustecken.»

Wie andere saisonale Corona-, Grippe- oder Rhinoviren wird auch Sars-CoV-2 klassischerweise per Tröpfcheninfektion übertragen. Deswegen heißt es: Abstand halten. Und: Mund-Nase-Schutz.

Doch wie weit fliegen diese Tröpfchen? Wie groß ist die Gefahr einer Ansteckung? Und macht es dabei einen Unterschied, ob sich die Menschen in einem geschlossenen Raum befinden oder an der frischen Luft - und in welchem Tempo sie da unterwegs sind?

So neu das neuartige Coronavirus ist, so frisch, teils ungeprüft und auf kleine Stichproben bezogen sind Untersuchungen und Modelle, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. «Zum heutigen Zeitpunkt sind das oft noch Spekulationen», betont Traidl-Hoffmann. Eine Studie aus China legt aber nahe, das die Corona-Konzentration innerhalb von Gebäuden meist höher ist als an öffentlichen Plätzen.

Forscher aus den Niederlanden und Belgien haben jüngst Berechnungen aus dem Windkanal publiziert, wonach der empfohlene 1,5-Meter-Abstand bei schnellerer Fortbewegung nicht ausreicht, um allen Tröpchen zu entgehen. Wer mit etwa fünf Stundenkilometern hintereinander her geht, sollte demnach fünf Meter Abstand wahren, Jogger mit Tempo 14,4 sogar rund zehn Meter. Wissenschaftler der finnischen Aalto Universität wiederum visualisierten die Ausbreitung einer Atemwolke, wenn jemand beispielsweise zwischen Supermarktregalen ungeschützt hustet.

Allerdings sind solche Modellierungen oft recht theoretischer Natur. Die Macher der Jogging-Studie räumen etwa ein, dass Rücken- und Seitenwind berücksichtigt werden müssten. Und auch Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann rät, vor allzu überhasteten Reaktionen zu überlegen, was der Einzelne daraus für sich ableiten kann.

Auch Bernhard Weigand, der am Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt an der Uni Stuttgart unter anderem zur Tropfendynamik forscht, sagt: «Direkt hinter einem Läufer oder Radfahrer reißt die Strömung ab, da halten sich Partikel in der Luft. Aber wenn Sie nicht gerade Tour de France fahren, kommen Sie sich gar nicht so nah.»

Zudem berücksichtigten Modelle oft nicht das Verhalten von Tropfen, wie der Professor deutlich macht. «Ganz kleine Tröpfchen verdunsten in einem Bruchteil einer Sekunde. Große sinken ganz schnell ab und folgen dem Luftstrom nicht.» Mit Blick auf mögliche Infektionen seien 30 bis 40 Mikrometer große Tropfen interessant - das ist etwa halb so dick wie ein menschliches Haar. Bei einer Temperatur von 20 Grad überdauerten die 20 bis 30 Sekunden. Modelle, die von einer Verbreitung über mehrere Minuten ausgingen, seien realitätsfern.

Für die Verdunstung entscheidend ist neben der Temperatur die Luftfeuchtigkeit. Je höher diese ist, umso schlechter verdunsten Tropfen. Allgemein kann man sagen: Je heißer und trockener, desto rascher die Verdunstung, desto geringer das Infektionsrisiko. Luftzug wiederum pustet die Tropfen weg und kurbelt die Verdunstung an.

Entscheidend sei auch, wo die Tropfen samt Viren ankommen und wie infektiös sie noch sind, so Traidl-Hoffmann. Auf der Nasenschleimhaut schnäuze man sie schnell wieder aus. «Wenn man sie direkt tief in die Lunge einatmet, richten sie den größten Schaden an.»

Die Professorin bemüht auch eine altbekannte Weisheit der Pharmazie: Die Dosis macht das Gift. In einem Kubikmeter Luft könnten sich zum Beispiel 1600 Pollen befinden, was dieser Tage wieder Allergiker zu spüren bekommen. «Wie hoch die Konzentration an Viren-Partikel um einen Corona-Patienten herum ist, ist bislang unklar», sagt die Umweltmedizinerin. Fest steht, dass das Sars-CoV-2-Virus 160 Nanometer groß sei - in kleineren Partikeln in der Luft fänden sich also vielleicht 100 Viren. «Wie viele von diesen Viren-Partikeln notwendig sind, um sich zu infizieren, ist unklar und auch ganz entscheidend vom Empfänger und seiner Empfänglichkeit abhängig.»

Mit Hilfe eines Kaskadenimpaktors wollen Traidl-Hoffmann und ihr Team nun untersuchen, auf welcher Partikelgröße in der Luft sich das Virus verbreitet. In dem Gerät sind Siebe mit verschiedenen Porengrößen angebracht, die sogenannte Bioaerosole nach Größe filtern. So wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie hoch die Virenkonzentration in der Luft ist, wenn ein Infizierter beispielsweise ruhig im Bett liegt oder wenn er intubiert wird. Gerade medizinisches Personal infiziere sich, weil es den Viren besonders ausgesetzt sei, so Traidl-Hoffmann. Doch auch dieses Forschungsprojekt steht noch ganz am Anfang.

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