Etablierung von Verfahren zur kontinuierlichen Produktion viraler Vektoren für die Gentherapie
Förderung von ca. 1,1 Millionen Euro – mit dem Ziel einer Firmenausgründung
ContiVir / Felipe Tapia und Pavel Marichal
Virale Vektoren werden in großen Mengen für die Gentherapie benötigt. Hierbei schleust ein Virus fehlerfreie Gene in geschädigte Körperzellen eines Individuums ein. Die fehlerhafte oder unkontrollierte Synthese (Expression) der genetischen Information eines schädigenden Gens soll somit verhindert werden. Dies findet zum Beispiel Anwendung in der Krebstherapie.
Gentherapien könnten eine ganze Bandbreite an derzeit unheilbaren Krankheiten bekämpfen und haben somit das Potential für eine nächste medizinische Revolution. Die am häufigsten angewandte Methode für die Gentherapie funktioniert mit viralen Vektoren: biotechnologisch hergestell-te Viren werden als Transport-Vehikel genutzt, um genetisches Material in die Zellen von Patienten einzuführen mit dem Ziel, kranke Gene durch gesunde auszutauschen. Gegenwärtig kostet eine Gentherapie pro Patient hunderttausende bis Millionen Euro.
Es ist anzunehmen, dass sich die Nachfrage nach viralen Trägern für die Gentherapie zukünftig erhöhen wird. Die ersten Methoden für eine Gentherapie haben in Europa und in den USA in den vergangenen Jahren eine Marktzulassung erhalten und mehr als 1.000 Anwendungen befinden sich in der klinischen Phase. Die heutige Nachfrage an viralen Vektoren wird fünf Mal höher geschätzt als es derzeitige Herstellungsverfahren zulassen.
Ein wesentlicher Engpass für die Lieferung von viralen Vektoren liegt in den hohen Virustitern, die für die Therapie erforderlich sind. Der Titer ist der letzte Verdünnungswert einer Lösung, in der sich noch Viruspartikel nachweisen lassen. Zudem erschweren ineffiziente Produktionstechniken mit Batch-Technologien, also der chargenweisen Verarbeitung, die schnelle Herstellung und Aufreini-gung.
Das EXIST-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, noch offene Fragen dieser Herstellungsprozesse anzugehen und zwei neue Technologien zu kombinieren, die in der Forschungsgruppe Bioprozess-technik am MPI Magdeburg entwickelt wurden. Dr.-Ing. Felipe Tapia und Dr.-Ing. Pavel Marichal-Gallardo haben im Rahmen ihrer Promotion das erste vollständige kontinuierliche System konzipiert, um derartige virale Vektoren zu produzieren.
Schlauchreaktor und chromatographische Aufreinigung kombiniert
Zum einen entwickelte Felipe Tapia einen Schlauchreaktor, der kontinuierlich betrieben wird
(Leitung: PD Dr. Yvonne Genzel, Teamleiterin für Upstream Processing). Dieser Bioreaktor ist das erste voll kontinuierliche System für die Produktion von Viruspartikeln und hat eine zwanzigmal kleinere Stellfläche als herkömmliche Systeme. Durch die kontinuierliche Betriebsweise ergibt sich eine höhere Produktivität als bei Batch-Kulturen, die mit größeren Volumina betrieben werden müssen. Zudem verbraucht die Herstellung weniger Energie bei geringerem Personalbedarf.
Die viralen Vektoren, die auf diese Weise produziert werden, werden anschließend mit einer neuartigen chromatographischen Trenntechnik (Steric Exclusion Chromatography, SXC) aufgereinigt. Diese Methode mittels einer Membran wurde von Pavel Marichal-Gallardo entwickelt (Leitung: Prof. Dr. Michael Wolff, Team Downstream Processing, jetzt Technische Hochschule Mittelhes-sen, Gießen). Mit ihrer Hilfe kann eine Vielzahl verschiedener Viren mit hoher Ausbeute aufgereinigt und konzentriert werden. Das Verfahren ist leicht skalierbar, zudem werden kostengünstige Materialien eingesetzt.
Beide Technologien können zu einem voll kontinuierlichen Herstellungsprozess integriert werden und damit eine kostengünstige und schnelle Versorgung von Patienten mit viralen Vektoren für die Gentherapie ermöglichen. Diese Herstellungsplattform kann zudem dafür genutzt werden, virale Impfstoffe in größeren Mengen zu produzieren. Dies kann zum Beispiel bei Pandemien erforderlich sein, wie wir es etwa beim gegenwärtigen Ausbruch des Corona-Virus beobachten können.
Das Spin-Off-Projekt startete im Oktober 2019 und wird für zwei Jahre über das EXIST Forschungstransfer-Programm, die Europäische Union, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und über die Max-Planck-Gesellschaft gefördert mit dem Ziel einer Firmenausgründung. Das Team umfasst zwei Wissenschaftler, eine technische Assistentin und einen administrativen Mitarbeiter, der sich um das Business Development kümmert.
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