Von der Leyen hofft auf Corona-Impfstoff Ende 2020
Experten sind nicht ganz so zuversichtlich
(dpa) Bei der weltweiten Suche nach einem Corona-Impfstoff zeigt sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen optimistisch. Die deutsche Politikerin hofft, dass schon Ende des Jahres ein Impfstoff entwickelt sein könnte. Der britische Experte und Regierungsberater Jeremy Farrar erwartet sogar schon bis Herbst einen Impfstoff, der dann allerdings frühestens binnen eines Jahres auch wirklich massenhaft zur Verfügung stehen könnte. Microsoft-Gründer Bill Gates, der sich seit Jahren für eine bessere Gesundheitsversorgung in der Welt engagiert, nannte einen Zeitraum von 18 Monaten, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Normalerweise dauere allein die Entwicklung fünf Jahre, sagte Gates der ARD.
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Mit der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 ist ein Wettbewerb zwischen Biotech-Firmen und Forschungsinstituten weltweit entbrannt, um einen wirksamen Impfstoff herstellen. Dennoch rechnen die wenigsten Experten damit, dass es noch in diesem Jahr einen gut wirksamen, sorgsam abgesicherten und in immensen Mengen verfügbaren Impfstoff geben kann.
Nach den Worten von der Leyens sitzen zwei der vielversprechendsten Forscherteams in Europa. «Sie planen, schon bald mit den klinischen Tests zu beginnen», sagte die CDU-Politikerin der «Bild am Sonntag». Dann folgten mehrere Schritte bis zu einer Zulassung und Massenproduktion. «Ich hoffe, dass sie gegen Ende des Jahres einen Impfstoff entwickelt haben», sagte die EU-Kommissionschefin. Für eine zügige Impfkampagne spreche die EU schon jetzt mit Herstellern über weltweite Produktionskapazitäten.
Der britische Experte Farrar hofft sogar bis Herbst auf einen Impfstoff. Dann müsse die Produktion für die Impfung vieler Millionen Menschen hochgefahren werden, sagte Farrar der BBC. «Ich würde hoffen, dass wir das in zwölf Monaten schaffen, aber das ist an sich schon ein beispielloser Ehrgeiz», sagte der Direktor der Wellcome-Stiftung. Farrar, der auch die Regierung in London berät, äußerte die Befürchtung, dass Großbritannien das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land werden könnte.
International bemüht sich die Impfstoff-Allianz CEPI («Coalition for Epidemic Preparedness Innovations») um die Entwicklung eines Impfstoffes. Zu den Mitbegründern der Allianz gehört die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Bill Gates schrieb in einem Beitrag für die «Welt am Sonntag», die CEPI sei dabei, mindestens acht mögliche Impfstoffe zu entwickeln. Wissenschaftler erwarteten, dass in 18 Monaten mindestens einer von ihnen anwendungsbereit sei. Dafür benötige die Koalition aber mindestens zwei Milliarden Dollar, sagte Gates. Er rief vor allem die G20-Wirtschaftsmächte zu mehr finanziellen Beiträgen auf. Gates mahnte zugleich, eine Covid-19-Schutzimpfung müsse als «globales öffentliches Gut» eingestuft werden und daher für alle bezahlbar und zugänglich sein.
Gates befürchtet, dass Ansteckungsrate und Zahl der Todesopfer in ärmeren Ländern wegen schlechterer Gesundheitssysteme und geringerer Isolationsmöglichkeiten höher sein werden als in Industrieländern. «Noch ist die Anzahl der Infizierten in den Entwicklungsländern relativ niedrig, aber nach allem, was wir bisher erlebt haben, ist es wahrscheinlich, dass in den kommenden Monaten dort die Epizentren der Epidemie liegen werden», sagte Gates am Sonntag in den ARD-«Tagesthemen».
In Berlin hatte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Fernsehansprache am Samstag mit Blick auf die Corona-Krise gefordert, Wissen und Forschung sollten geteilt werden, um schneller zu Impfstoff und Therapien zu gelangen. Auch die ärmsten Länder müssten dazu Zugang haben.
Bundesbildungsminister Anja Karliczek will bei ihren EU-Kollegen für mehr Geld für die CEPI werben, zu deren Gründungsmitgliedern auch Deutschland gehört. «Die reichsten Länder der Welt müssen sich viel stärker für die Impfstoffentwicklung gegen das neue Corona-Virus engagieren», sagte die CDU-Politikerin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch die saudische G20-Präsidentschaft müsse hier aktiv werden. Deutschland sei mit einigen anderen Ländern vorangegangen und habe seine Zusagen für die Impfstoff-Allianz um 140 Millionen Euro aufgestockt. 90 Millionen bis 2021 seien ohnehin schon fixiert gewesen.
Erste experimentelle Kandidaten für einen Impfstoff gibt es bereits - kleine klinische Studien an Menschen damit laufen vereinzelt schon oder werden demnächst beginnen. Die Zulassung und die klinische Prüfung sind üblicherweise langwierig. Gemeinhin werden für die Entwicklung von Impfstoffen etwa 15 Jahre veranschlagt. Bei Sars-CoV-2 soll es viel schneller gehen. Dafür wird vor allem auf biotechnologische Verfahren gesetzt, bei denen nicht wie üblich die Viren selbst zur Herstellung eines Impfstoffes benötigt werden, sondern nur deren genetische Information.
Der Präsident des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, hatte im März erklärt, er rechne mit ersten klinischen Prüfungen in Deutschland im Sommer bis Herbst. Er hielt es auch für möglich, dass dann 2021 größere klinische Prüfungen mit Tausenden oder vielleicht Zehntausenden Probanden beginnen könnten. Man dürfe die Abläufe nicht zu sehr beschleunigen, es brauche verträgliche, sichere Impfstoffe. Auch Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten in den USA, und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts in Berlin rechnen mit einem Impfstoff allerfrühestens nächsten Frühling.