Was Schnelltests in der Corona-Krise bringen
(dpa) In Deutschland gibt es eine Diskussion darum, mehr Menschen auf das Coronavirus testen zu lassen. Schnelltests könnten helfen, Infektionen rasch nachzuweisen und so dazu beitragen, die Pandemie so gut wie möglich unter Kontrolle zu bekommen. Noch sind solche Test nicht in der ärztlichen Routine angekommen, aber rund um die Welt arbeiten Forscher an ihrer Entwicklung. Erste Schnelltests sind bereits zugelassen. Sie müssen aber auch in ausreichender Zahl produziert werden. Täglich gibt es zudem Ankündigungen für neue Testsysteme. Ihre Schnelligkeit ist ihr großer Vorteil - aber sie haben auch Nachteile und sind nicht für alle Zwecke geeignet.
geralt, pixabay.com, CC0
Für den gegenwärtigen Standard-PCR-Test nehmen Ärzte einen Rachenabstrich. Die Probe wird ins Labor geschickt und aufgereinigt und dann auf das Erbmaterial des Virus durchsucht. Der Test selbst dauert etwa vier bis fünf Stunden. Hinzu kommt die Zeit für den Transport - und zurzeit manchmal Wartezeiten bis zur Auswertung, weil Labormaterial fehlt oder die Zahl der Tests die Kapazitäten eines Labors übersteigt. Es kann deshalb mehrere Tage dauern, bis das Ergebnis beim Arzt und Patienten vorliegt.
In dieser Zeit muss sich der Patient in Quarantäne begeben - möglicherweise umsonst. Gerade in Kliniken und Arztpraxen können Wartezeiten auf ein Testergebnis auch zu Personalmangel führen. Schnelltests sollen unter anderem hier Abhilfe schaffen. «Mit schnelleren Tests kann man sofort handeln und so auch die Übertragungswahrscheinlichkeit von einem Infizierten zum nächsten senken», sagt Hendrik Streeck vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn.
Beworben werden zum einen Analysegeräte, die wie der Standardtest nach Virus-Erbgut suchen, aber schneller Ergebnisse liefern. In den USA ist ein solcher Schnelltest des Herstellers Cepheid kürzlich zugelassen worden, der innerhalb von 45 Minuten eine Infektion nachweisen soll. Allerdings analysieren diese Systeme immer nur eine Probe und sind sehr teuer, sagt Virologe Streeck. «Für den täglichen Einsatz oder Screenings größerer Gruppen sind sie nicht geeignet.»
Ein anderer Weg zu schnelleren Testergebnissen führt über serologische Testverfahren. Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem herkömmlichen Schwangerschaftstest: Die Probenlösung - zum Beispiel ein Tropfen Blut mit Reagenzien vermischt - wird auf einen Streifen aufgetragen, eine farbliche Markierung zeigt dann, ob die Probe positiv oder negativ ist.
Nachgewiesen werden können zum einen Antikörper. Also die Strukturen, die unser Immunsystem bildet, wenn es mit einem fremden Erreger in Kontakt kommt. Als Schnelltest für eine akute Infektion eignen sich solche Antikörpernachweise aber kaum, wie Streeck betont. «Antikörper lassen sich erst an der Spitze der Erkrankung sicher nachweisen, dann, wenn die Ansteckungsgefahr schon wieder nachlässt.» In den ersten Tagen nach einer Ansteckung können die Antikörper nicht sicher nachgewiesen werden - der Infizierte kann den Erreger aber schon weitergeben.
Sinnvoll können solche Tests sein, um eine zurückliegende Infektion nachzuweisen und den Verlauf der Epidemie zu verfolgen. Denn Antikörper bleiben auch im Körper, wenn die Erkrankung schon längst abgeklungen ist. An so einem Nachweis arbeiten auch Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. «Mit einem Antikörper-Test können wir Menschen identifizieren, die eine Infektion überstanden haben», sagt der Virologe und Epidemiologe Tim Waterboer. «Die können dann wieder arbeiten gehen und müssen nicht mehr geschützt werden.»
Besonders wichtig ist das, solange die Epidemie noch voll im Gang ist. Klinikpersonal, Polizisten, Supermarktangestellte mit diesen Antikörpern könnten ihrer Arbeit ungefährdet nachgehen. Erste dieser Tests sind bereits erhältlich, etwa vom Berliner Biotech-Unternehmen Pharmact. Angesichts des derzeitigen Booms unter Testangeboten betont Waterboer die Notwendigkeit, neue Tests ausfühlich zu prüfen, bevor sie auf den Markt gelangen. «Wichtig ist es, dass diese Tests auch wirklich funktionieren und tatsächlich auch die schützenden Antikörper nachweisen. Um das sicherzustellen, muss man Hunderte oder Tausende Proben testen.»
Um tatsächlich akut infizierte Personen schnell aufzuspüren, arbeiten Wissenschaftler an Tests, die das Virus selbst oder seine Bestandteile erkennen. So ein Test enthält Antikörper gegen das Virus. Gibt man eine Probe hinzu, binden die Antikörper an das Virus - so es in der Probe vorhanden ist. Der Test fällt dann positiv aus. «Das ist meiner Ansicht nach das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Verdachtsfälle schnell zu testen», sagt Streeck.
An einem solchen Test arbeitet unter anderem ein internationales Konsortium aus Biotechnologie-Unternehmen und Forschern, etwa des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. In sechs bis acht Wochen wollen sie einen Prototyp vorliegen haben, der dann in der Praxis getestet werden kann, wie Konsortiumssprecher Thomas Huber erläutert. Der Test basiert auf einem Mikrochip, der in ein Lesegerät gesteckt wird und in wenigen Minuten ein Ja/Nein-Ergebnis liefert. In einer späteren Version könnte der Chip das Testergebnis direkt an ein Smartphone schicken. Er soll dann auch für Heimtests angeboten werden.
Schnelle Tests könnten die nötige Voraussetzung sein, um die derzeitigen Ausgangsbeschränkungen zumindest regional aufzuheben. Denn dann können neue Infektionscluster schnell erkannt und regional beschränkt werden, während andernorts vielleicht keine verschärften Maßnahmen erforderlich sind.
Bis dahin wird der Standard-PCR-Test in Deutschland das Mittel der Wahl bleiben, wenn es darum geht, akute Infektionen nachzuweisen. Deutschland sei dabei sehr gut aufgestellt, erläutert Evangelos Kotsopoulos, Vorstandsmitglied des Berufsverbandes Akkreditierte Labore in der Medizin e.V. (ALM). Aktuell würden in den bundesweiten Laboren über 58.000 Tests täglich durchgeführt. «Das ist eine gewaltige Kapazität, die derzeit voll ausgenutzt wird.» In 80 Prozent der Fälle würde das Ergebnis innerhalb von 24 Stunden vorliegen. Eine ausreichende Testung sei auch weiterhin möglich, sofern dabei die Kriterien des Robert Koch-Instituts eingehalten würden - also nur in begründeten Verdachtsfällen Tests erfolgen.