Jetzt «hohes» Coronavirus-Risiko

Was bedeutet das für den Alltag und die Zukunft?

18.03.2020 - Deutschland

(dpa) Das Coronavirus hat mehr als 140 Länder erreicht und stellt auch das Gesundheitssystem hierzulande auf die Probe. Das öffentliche Leben wird auf außergewöhnliche Art und Weise eingeschränkt. Dazu Fragen und Antworten:

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Symbolbild

Wie groß ist momentan das Risiko, sich anzustecken?

Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin stellt seine Risikoeinschätzung für die Bevölkerung in Deutschland von «mäßig» auf «hoch» - auch wenn es insgesamt bundesweit deutlich weniger Fälle gibt als etwa bei der Grippe mit rund 23.000 Nachweisen allein in der vergangenen Meldewoche. Hintergrund ist, dass die Zahl der nachgewiesenen Fälle bei Sars-CoV-2 «sehr stark» zunimmt, wie RKI-Präsident Lothar Wieler am Dienstag sagte.

Zunehmend berichteten Gesundheitsämter, dass sie die Kontaktpersonen von nachweislich Erkrankten nicht mehr nachverfolgen könnten, schilderte Wieler. Krankenhäuser meldeten außerdem eine Zunahme schwerer und sehr schwerer Fälle. Hinzu kämen immer mehr Nachweise, die nicht mehr auf bekannte Fälle zurückgeführt werden könnten. Die Lage unterscheidet sich aber je nach Region. Noch gebe es auch Krankenhäuser, in denen Covid-19 keine Rolle spiele, so Wieler.

Deshalb gelte es, mit den am Montag von der Bundeskanzlerin verkündeten Maßnahmen - darunter die Schließung vieler Läden -, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. «Ohne diese Maßnahmen müssten wir davon ausgehen, dass wir in wenigen Monaten vielleicht mehrere Millionen Krankheitsfälle haben», so Wieler.

Ist man nach der durchgemachten Krankheit immun dagegen?

Davon gehen Experten aus. «Wir wissen aber nicht, wie lange die Immunität hält», sagte Wieler. Es würden viele Tests entwickelt, um eine Immunität nachzuweisen. Etwa die Hälfte der Menschen, die sich angesteckt haben, würden das gar nicht merken. «Die sehen wir gar nicht.» Von denjenigen, die etwas merken, werden laut RKI vier von fünf nur leicht krank. Eine Hoffnung ist: Sobald Tests verfügbar sind, lässt sich herausfinden, ob jemand zum Beispiel gefahrlos in der Versorgung von Covid-19-Patienten eingesetzt werden kann.

Was kommt auf die Krankenhäuser zu?

Bund und Länder wollen die stationäre Krankenhausversorgung ausweiten. Um Kliniken zu entlasten, die sich auf den Aufbau von Intensivkapazitäten konzentrieren, müssten an anderen Kliniken und gegebenenfalls provisorischen weiteren Standorten wie Hotels oder umgerüsteten Hallen zusätzliche Betten- und Behandlungskapazitäten - bis hin zur Verdoppelung - aufgebaut werden. Das geht aus einem «Grobkonzept Infrastruktur Krankenhaus» hervor, auf das sich Bund und Länder am Dienstag verständigt haben.

Danach sollen unter anderem Rehabilitationseinrichtungen, Hotels oder größere Hallen umgerüstet werden, um dort die zahlreichen leichteren Behandlungsverläufe zu versorgen. Jede Klinik sollte auch vorausschauende Personalplanung betreiben: vorhandenes Personal zusätzlich für einen etwaigen Einsatz im Intensivbereich schulen. Auch sollten Konzepte entwickelt werden für den Einsatz von Medizinstudenten höherer Semester, sowie für den Einsatz von Ärzten und Pflegekräften, die sich aus dem Ruhestand oder anderen Bereichen zur Unterstützung zur Verfügung stellen.

Berlin kündigte bereits an, ein eigenes Krankenhaus für bis zu 1000 Covid-19-Patienten auf dem Gelände der Messe einrichten zu wollen - «um möglichen Engpässen zu begegnen».

Was kann noch getan werden, um die Verbreitung besser einzudämmen?

Vor allem die Zulassung eines Impfstoffes dürfte den Verlauf der womöglich zwei Jahre dauernden Pandemie maßgeblich beeinflussen. Schnell gehen wird das aber nicht. Wieler rechnet mit einem Impfstoff frühestens nächsten Frühling.

Die Kapazitäten der Gesundheitsämter könnten noch erhöht werden, indem Studierende als Unterstützung ausgebildet werden, heiß es beim RKI. Sie sollen helfen, Kontaktpersonen von Erkrankten zu ermitteln. «Wir müssen alles tun, um jede mögliche Infektionskette zu unterbrechen», so Wieler.

Es sei auch ein «sinnhaftes Konzept», Bewegungsdaten von Handys zu nutzen, um Kontaktpersonen von Infizierten zu ermitteln, sagte Wieler am Dienstag - es wäre eine «enorme Unterstützung» für die Gesundheitsämter. «Es ist technisch möglich und es ist auch datenschutzrechtlich möglich.» Er sei sehr optimistisch, dass in Kürze ein überzeugendes Konzept vorliegen werde, so Wieler. Eine 25-köpfige Gruppe an zwölf Institutionen arbeite daran. Andere Länder nutzen solche Technik bereits.

Wie viele Menschen sind infiziert oder bereits genesen?

Wie hoch die Zahl der tatsächlich Infizierten ist, ist unbekannt. Das RKI geht nach Wielers Worten von einer deutlich höheren Zahl aus als es in den gemeldeten Zahlen den Anschein hat. Das liege schon allein etwa an Testkapazitäten der Labore und dem Verzug bei der Meldung bestätigter Fälle. Aber auch generell ist von einer deutlichen Untererfassung auszugehen: Das RKI verweist auf seiner Webseite auf Schätzungen, wonach weniger als ein Viertel der Erkrankten vom Überwachungssystem erfasst werden könnte.

Wie viele Verdachtsfälle es bisher in Deutschland gab, gab das RKI bisher nicht bekannt. Wie die Sterberate am Ende aussehen werde, wisse man nicht, sagte Wieler. Aber selbst wenn es eine Sterblichkeit von einem Prozent gebe, heiße das, dass 99 Prozent überlebten. Wie viele Patienten hierzulande bereits genesen sind, erfasst das RKI nicht. Virologe Christian Drosten sagte am Dienstag im NDR-Podcast, neue wissenschaftliche Berichte über Genesene bedeuteten Wochen von Arbeit - Zeit, die die Ärzte gerade nicht hätten.

Reichen die nun ergriffenen Maßnahmen - und wie geht es jetzt weiter?

Ob die Infektionszahlen dank geschlossener Schulen, Kitas, Läden und Clubs langsamer ansteigen, wird sich erst in einigen Tagen bis Wochen zeigen. Mit zehn bis zwölf Tagen rechnete RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Montag. Denn es vergeht Zeit, bis die Krankheit bei Infizierten ausbricht, bis die Diagnose gestellt und der Fall von den Gesundheitsämtern an das RKI gemeldet ist.

Noch ist die höchste RKI-Risikostufe in Deutschland nicht erreicht: «sehr hoch» gäbe es noch. Würde eine Ausgangssperre kommen? Danach gefragt sagte Wieler: «Wir schauen, was geschieht.» Jede der am Montag angekündigten Maßnahmen sorge dafür, dass sich das Virus weniger verbreite. «Ich kann nur an alle dringlich den Appell richten, dass sie sich an diese Maßnahmen halten.» Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin sagte dem Sender ntv, er halte Ausgangssperren nicht für sinnvoll. «Man kann natürlich in den Park gehen, es geht darum, soziale Kontakte zu vermeiden.»

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